Klima, Krieg und Ministerin-Management: Lose Kanonen

Die Gletscher sind im Rückzug, deutsche Panzer auf dem Vormarsch. Und warum bewacht eigentlich niemand Christine Lambrecht? Die Fragen der Woche.

Ministerin Lambrecht im Bundestag, stützt den Kopf in die Hand

Was macht eigentlich Lambrechts Presseteam? Haben die was gegen die SPD? Foto: Bernd Elmenthaler/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Hochrüstung der Polizeikräfte um Lützerath.

Und was wird besser in dieser?

Klimagegner böllern.

Die Hälfte aller Gletscher werden wir verlieren, selbst wenn ’s bei 1,5 Grad Erwärmung bleibt. Das sagt eine Fachstudie. Dauert aber bis 2100. Wen kümmert ’s also?

Langnese. „Like ice in the sunshine“ taugt jetzt nur noch zum Greenwashing. Deutschlands eben noch fünf, jetzt nur noch vier Gletscher können bei fortgesetztem Trend 2050 allesamt Wasser sein. Durch Lichtreflektion und globale Wasserströme bietet die Glaciologie besonders drastische Kippmomente. Ich sehe Leute zur Tanke dieseln, um aus der Kühltruhe Eiswürfel zu kaufen. Mal sehen, wie ich das vor meinen Enkeln geheim halte.

Deutschland und die USA liefern erstmals Schützenpanzer an die Ukraine. Wann kommen die dort an?

40 im ersten Quartal, sagt die Bundesregierung. Prösterchen in Strack-Zimmermanns Wahlkreis Düsseldorf-Derendorf, wo Rheinmetall wohnt. Das russische Regime sieht sich ohnehin „im Krieg mit der Nato“, für die kommt nichts mehr zu früh oder zu spät. In diese Erzählung passt, dass die Ukraine einen angeblichen russischen „Weihnachtsfrieden“ ablehnte und ihre Angriffe als „Weihnachtsgeschenke“ und „Gratulation“ ausgab. Der einhellige Tenor deutscher Multiplikatoren hieß „als nächstes muss der Leo rollen“. Im Osten nichts Neues.

Verteidigungsministerin Lambrecht verteidigt sich immer nur selbst. Gibt sie demnächst Kurse in Selbstverteidigung?

Nach ihren Single-Hits „Pumps im Wüstensand“ und „Mutter und Sohn sind ganz okay miteinander“ darf man die Pressestelle des Verteidigungsministeriums schon sacht anstupsen, was sie beruflich eigentlich so macht. Lambrecht ist als schwächste Stelle von Zögerzauderscholz ausgemacht, da hämmern Medien und Bellizisten hinein wie zwischen Turm und Munitionskiste am Russenpanzer. Professionelle Medienarbeit hieße, Lambrecht zu umstellen wie die lose Kanone, die sie offenbar ist. Wer hingegen der SPD-Linie schaden möchte, macht es ungefähr so wie jetzt.

An Silvester in Berlin wurden Rettungskräfte von Jugendlichen angegriffen. Deutschland hat zum Glück zuallererst mal die Pässe der 145 Festgenommenen gecheckt. 100 waren nicht von hier. Sind Sie auch so erleichtert wie wir?

Bild hat herausgefunden, dass „Politiker die Wahrheit wegschwurbeln“, während alle Welt von genau der redet: Migrationshintergrund! Klar! Dagegen haben taz-Leserbriefende „Männerrudel“ als Ursache ausgemacht. Was zunächst einmal andeutet, dass rechts- und links­identitäre Ansätze so verschieden sind wie Sackgasse und Kacksasse. Dieses Land gönnt sich seit Jahrzehnten Integrationsverweigerung, brutale soziale und bildungspolitische Ungleichheit. Und möchte nun mit ein paar Böllern aus dem Sozialwilli-Regal ein Feuerwerk der guten Laune entzünden: mehr Streetworker. Dann wird ja alles gut.

Der Republikaner McCarthy hat ’s geschafft. Er kommt nach 15 Wahlgängen fertig demoliert im neuen Amt an. Hätte er es gleich sein lassen sollen?

Der neue Sprecher des Repräsentantenhauses verteilte Pöstchen, Einfluss und schließlich eigenen Machtverlust. Und errang so ein Amt, das nicht mehr das ist, das er anstrebte. Das neue Sonderheft „Donald’s lame Duck“ ist da. Offenbar gab es in der republikanischen Partei keine Persönlichkeit, die Konservative, Tee-Party-Member, Trumpisten und rechtschaffene Rechte einigt. Oder kurz: Demokraten und Antidemokraten. Wie auch.

In Hessen ist ein gelöschtes Überwachungsvideo wiederhergestellt worden, auf dem Po­li­zis­t:in­nen einen Mann misshandeln. Anscheinend wollte jemand das Video verschwinden lassen. Sollten wir besser alle Bodycams tragen?

Ausweislich der inzwischen veröffentlichten Bilder darf man bezweifeln, dass sie je technisch gelöscht waren. Das Material ist umständegemäß scharf, ich tippe – das ist Ferndiagnose – auf einen schlichten Löschvermerk. Auch Bodycamaufnahmen könnte man so verschwinden lassen. Hier geriet die Staatsanwaltschaft unter Druck, weil tatsächlich Passanten die George-Floyd-ähnliche-Szene handygrafierten. Obacht: Übergriffigen Beamten einfach mal das Smartphone ins Gesicht zu schwenken, kann als Eskalation missverstanden werden.

Zur Beisetzung von Benedikt XVI. flogen gemeinsam nach Rom: Steinmeier, Scholz, Bundestagspräsidentin Bas und Bundesratspräsident ­Tschentscher. Die deutsche Staatsspitze in einem Flieger – leichtsinnig?

Die wollten ganz sicher sein, dass er weg ist.

Die Darts-WM begeisterte selbst Sportmuffel. Wer braucht schon Fußball, richtig?

Der Darts-Dachverband will nicht olympisch werden. Weil man dann weniger Geld verdienen könne. Haben die ’ne Ahnung.

Und was machen die Borussen?

Übertragen mit mehreren Kameras und Off-Kommentar ihr Training in Marbella. 5.000 Aufrufe nach einer Stunde. Ich möchte mal soviel, wenn ich meinen Rechner hochfahre.

Fragen: Shoko Bethke, Peter Weissenburger

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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