Klimaschädliche Weinflaschen: Wein besser aus dem Tetrapak

Einweg-Glasflaschen sind klimaschädlich – doch beim Wein sehr verbreitet. Welche alternativen Verpackungen es für Wein gibt und welche Hürden sie haben.

leere Weinflaschen

Berlin, Prenzlauer Berg, neben einem Müllcontainer Foto: imago

BERLIN taz | Sie sind schwarz, grün, transparent und veredeln ihren Inhalt: Weinflaschen. Doch der teure Look hat einen Preis: Bei der Herstellung einer 0,75-Liter-Flasche Wein entstehen im Durchschnitt 830 Gramm CO2, knapp die Hälfte davon entfällt auf die Produktion der Flasche. Allerdings fehle in dieser Kalkulation der Transport, sagt Helena Ponstein, Expertin für Emissionsbilanzierung in der Wein­wirtschaft, „je nach Verkaufsort und Transportweg kann sich dieser Wert also deutlich er­höhen“.

Den Angaben der Verbraucherzentralen von Hessen und Bayern zufolge sind Glasflaschen einerseits zerbrechlich und schwer, sodass der Transport mit hohem Energieaufwand verbunden ist. Dabei entsteht Mikroplastik durch einen höheren Autoreifen-Abtrieb. Das Einschmelzen von Glas benötigt hohe Temperaturen und ist deshalb sehr energieintensiv, sowohl für die Herstellung neuer Flaschen als auch für das Recycling. Außerdem werden für die Produktion von neuem Glas wichtige Rohstoffe wie Quarzsand, Kalk, Soda und Pottasche benötigt.

Sammelstruktur fehlt

Ponstein fordert deshalb ein Mehrwegsystem für Weinflaschen. In einer Studie untersuchte sie, wie sich die CO2-Emissionen durch ein Pfandsystem verändern würden. Damit könnte „ungefähr ein Drittel der CO2-Emissionen eingespart werden“, so die Expertin. Dabei sei dieses Ergebnis konservativ berechnet. „Wir gingen von einem Szenario aus, in welchem die Weinflasche nur 5-mal wiederverwendet wird“, erklärt Ponstein. Da etwa Wasserflaschen bis zu 50-mal wieder benutzt werden, gebe es aber deutlich mehr Potenzial. „Wir wollten bloß nicht allzu weit abweichen von einer realistischen Option in Anbetracht der heute sehr eingeschränkten Möglichkeiten.“

Bislang gibt es allerdings keine Infrastruktur für die Sammlung und Wiederverwendung. Während für Bierflaschen, Biermischgetränke, Softdrinks und Mineralwasser seit 20 Jahren ein Einwegpfand gilt, sind Weinflaschen hiervon ausgenommen. Sie landen in der Regel nach dem Leeren im Glascontainer. „Im Vergleich zum Verband Deutscher Mineralbrunnen gibt es für Winzer kein flächendeckendes System, das Flaschen spült“, erklärt Ponstein. So gebe es vereinzelt Spülanlagen in Weinbauregionen, doch dies sei nur ein Bruchteil, sagt sie.

Allerdings ist Mehrweg für Wein nicht die einzige Alternative: Es gibt Optionen wie sogenannte Bag-in-Boxen. Das ist eine lose Kombination mit einem Innenleben aus einem Folienverbundmaterial mit Aluminium oder Kunststoff und einer Umverpackung aus Karton. Sogar PET-Flaschen gibt es seit dem 1. Januar 2021 für Wein ebenso wie für Sekt, Frucht- und Gemüsesäfte.

Schweden ist Vorreiter

„Wenn man nur die Perspektive der Treibhausgasemissionen betrachtet und alles andere ausblendet, ist der Getränkekarton heute das bessere Verpackungsmaterial“, erklärt Ponstein. Für Weine, die schnell getrunken werden – dies sei die Mehrzahl der Weine –, sei die Bag-in-Box daher keine schlechte Lösung. Außerdem könnten die Kartons gut recycelt werden, weil Pappe und Innenleben nur lose verbunden sind, anders etwa als bei Tetrapaks. Schweden ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Dort gehen „fast die Hälfte der Weine in Bag-in-Box über den Tresen“.

Bei Plastik bestünde allerdings das Problem, dass das Getränk auf Dauer weniger genießbar ist. Glasflaschen hin­gegen seien inert, sie können keine Stoffe an die Weine und andere Lebensmittel abgeben.

Darüber hinaus sieht Pon­stein ein Imageproblem: „Es ist wichtig, dass der Verbraucher versteht, dass auch hochwertige Weine in sehr leichten Flaschen daherkommen können“, sagt sie. So hätten Ver­brau­che­r:in­nen gelernt, dass besonders gute Weine in schweren Flaschen verpackt seien. Dies sei aber nicht notwendig, erklärt die Expertin.

Mehr Bewusstsein nötig

„Das ist ein Problem, wenn auf ressourcenschonende Verpackungen umgestellt werden soll. Auch den Umstieg auf eine Leichtglasflasche hemmt diese Ansicht, obwohl das über 10 Prozent der Emissionen einsparen würde. Da besteht die Aufgabe, das besser zu kommunizieren.“

Dass es mehr Bewusstsein seitens der Ver­brau­che­r:in­nen benötigt, findet auch Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut. „Winzer sind sich der Problematik durchaus bewusst, und es ist auch in ihrem eigenen Interesse, kosten- und energiebewusst zu handeln“, sagt er. Anstelle einer Einwegglasflasche sieht er Bag-in-Boxen oder PET-Flaschen aus Kunststoff als alternative Lösung. Dass sie bei den Kon­su­men­t:in­nen gut ankommen, bezweifelt er allerdings. „Wollen Endverbraucher in einem besonderen Moment, wenn sie feiern, ihren Wein aus einem Karton serviert bekommen?“ Was das Konsumverhalten angehe, mache er „durchaus ein großes Fragezeichen“.

Die Option von Mehrwegglasflaschen hält Schulz nicht für realistisch. Die Weinbranche sei viel kleinteiliger als andere Getränkebranchen, erklärt er. „Bei Wasser zum Beispiel haben sich Mineralbrunnen vor Jahren auf einen gemeinsamen Flaschenstandard geeinigt.“ Gemeint sind standardisierte Kästen sowie gepunktete Glasflaschen. „Das war eine ziemlich kluge und wegweisende Entscheidung, die über mehrere Jahre gut funktioniert hat. Das klappt aber nur, wenn der Handel mitspielt.“

Weinkonsum neu denken

Ein ähnliches Modell habe es in den 50er bis 70er Jahren auch in der Weinbranche gegeben. Damals sei die grüne Ein-Liter-Flasche weit verbreitet gewesen. Diese war einfach in der Wiederverwendung und wurde von Win­ze­r:in­nen an die Kun­d:in­nen ausgeliefert und nach dem Konsum wieder eingesammelt. Heute funktioniere das nicht mehr, da sich die Gesamtsituation „hinsichtlich der Vertriebskanäle völlig verändert“ habe. So liefere der Winzer nur noch zehn Prozent des Weins selbst aus. Dabei findet das Massengeschäft, das Auswirkungen auf die Umwelt hat, im Handel statt. Ein Mehrwegsystem hält er aufgrund der vielen unterschiedlichen Weinflaschensorten für „schwierig umzusetzen“.

Schulz sieht vor allem die Kon­su­men­t:in­nen in der Verantwortung. Diese könnten „durch ihr Bewusstsein Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten“, sagt er. Die Weinbranche werde sukzessive umstellen, wenn Kon­su­men­t:in­nen beispielsweise nach Bag-in-Boxen fragen würden: „Wenn also das Bewusstsein da ist, wird sich auch beim Wein zwangsnotwendigerweise etwas ändern.“

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