UN-Konferenz zur Biodiversität: Subventionen für Naturzerstörung

Bis zu eine Billion US-Dollar fließen weltweit in ökologisch schädliche Subventionen. Kann die Weltnaturschutzkonferenz einen Ausweg finden?

Strasse im Rapsfeld

Steuerlich geförderte Naturzerstörung: Straße für Pendler und Rapsfelder für Biokraftstoff Foto: Jochen Eckel/imago

BERLIN taz | 500 Milliarden US-Dollar weniger schädliche Subventionen, dafür 200 Milliarden mehr in den Schutz der Biodiversität – über dieses Ziel verhandeln die 196 Mitgliedsstaaten der Konvention über Biologische Vielfalt derzeit auf der Weltnaturschutzkonferenz in Montreal. Dabei geht es nicht nur darum, Stickstoffeinträge in Böden und Gewässer oder die Verschmutzung durch Plastikmüll zu verringern. Wesentlicher Knackpunkt der Verhandlungen für ein neues Rahmenabkommen ist es, Investitionen und Steuermittel umzulenken.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schreibt im aktuellen Bericht zum Stand der Finanzierung für die Natur: „Regierungsausgaben für ökologisch schädliche Subventionen für Fischerei, Landwirtschaft und fossile Energien werden auf 500 Milliarden bis 1 Billion Dollar pro Jahr geschätzt. Das ist 3 bis 7mal mehr als die privaten und öffentlichen Mittel für naturbasierte Lösungen zusammen.“

Martin Quaas, Professor für Biodiversitätsökonomie an der Universität Leipzig, hat die Situation in Deutschland analysiert: Für die Biodiversität besonders schädlich seien im Verkehr die 6 Milliarden Euro teure Pendlerpauschale, die Anreize für Flächenverbrauch setzt, zudem die Förderung von Biokraftstoffen, die den Staat 1 Milliarde Euro jährlich kostet. Im Bereich Ernährung geht vor allem „die Mehrwertsteuerermäßigung für Milchprodukte und Fleisch mit etwa 5 Milliarden Euro“ in die falsche Richtung, so Quaas, „sowie Agrardiesel und Schiffsdiesel in der Fischerei mit 500 Millionen Euro“. Die Braunkohlewirtschaft, die Ökosysteme zerstöre und Schadstoffe emittiere, erhalte jährlich 300 Millionen Euro.

Das Umweltprogramm der UN hat Tipps, wie Deutschland diese Subventionen abschaffen könnte: In einem ersten kurzfristigen Paket könnten die Subventionen für Agrardiesel, die Steuerausnahmen für Motorfahrzeuge und die Biokraftstoffquote gestrichen werden. Mit den 1,9 Milliarden Euro zusätzlicher Steuereinnahmen könnten Bauern dann für Umweltschutzmaßnahmen bezahlt werden.

Nicht nur ein deutsches Problem

Später sollte dann die ermäßigte Mehrwertsteuer für tierische Produkte auf den regulären Satz erhöht werden. Dies würde 4 bis 5 Milliarden zusätzlicher Einnahmen generieren und bis zu 6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Deutschland müsse dann zusehen, wie es diese Mehreinnahmen gerecht und ökologisch verteile – etwa durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel.

Mit zu niedriger Mehrwertsteuer geförderter Fleischkonsum: Ferkelzucht für die Fleischproduktion Foto: imago

Steuersätze sind auch in anderen Ländern ein wichtiger Hebel. Die Denkfabrik Forum für ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat im Auftrag der Vereinten Nationen die Situation in der Elfenbeinküste analysiert. In dem westafrikanischen Land sind in den letzten 30 Jahren zwei Drittel der Waldfläche verloren gegangen, hauptsächlich für Kakao-Anbau für den Export in die EU.

Da vor allem unverarbeiteter Kakao und fast keine Schokolade exportiert wird, bringt dieser Wirtschaftszweig nur wenig Geld ins Land, während immer weitere Flächen für mehr Plantagen gerodet werden. Aktuell gilt für alle exportierten Produkte der gleiche Steuersatz. Die Idee der FÖS-Autoren: ein niedrigerer Steuersatz für den Export verarbeiteter Produkte, ein höherer für unverarbeitete. Somit würde ein Anreiz geschaffen, mehr Wertschöpfung pro Kilo Kakao im Land zu erwirtschaften und zugleich den Druck auf die Wälder zu verringern.

Finanzen kein Thema in den Vorverhandlungen

Ob die Staaten in Montreal es schaffen, sich konkrete Ziele zum Abbau biodiversitätsschädlicher Subventionen zu setzen, ist allerdings fraglich. Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität beobachtet die Gespräche für seine NGO. „Leider haben die dreitägigen Verhandlungen vor dem offiziellen Start keine Annäherung in wesentlichen Punkten gebracht“, sagt Paulsch. Die Staaten bestünden auf ihren unterschiedlichen Standpunkten und zeigten wenig Bereitschaft zu Kompromissen. Das Thema Finanzen habe man aus den Vorverhandlungen sogar ausgeklammert – wie so viele andere strittige Fragen auch.

Jannes Stoppel, der die Verhandlungen vor Ort für Greenpeace beobachtet, schätzt das ähnlich ein. „Der UN Generalsekretär hat in seiner Eröffnungsrede von der Menschheit als einer derzeitigen Massenvernichtungswaffe für die Artenvielfalt gesprochen“, sagt Stoppel. „Die Verhandlungen müssen diese Waffe entschärfen.“

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