Übersterblichkeit in der Pandemie: Wie Staaten ihre Coronatoten zählen

Länder berechnen die Zahl ihrer Toten unterschiedlich. Die WHO hat die Zahlen vergleichbar gemacht. Das zeigt das Ausmaß der Pandemie.

Personen in Schutzkleidung senken einen Sarg in ein Grab

Beerdigung eines Coronatoten in Indonesion im Juli 2021 Foto: Suryanto Putramudji/NurPhoto/imago

In den Jahren 2020 und 2021 sind weltweit 5,4 Millionen Menschen an Corona gestorben. Jedenfalls geben das die Gesundheitsbehörden der Staaten so an. Aber wie viel getestet werden kann und was überhaupt als „Todesfall durch Corona“ gilt, ist von Land zu Land unterschiedlich. Deswegen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Übersterblichkeit 2020 und 2021 modelliert, um das Ausmaß der Pandemie festzustellen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die WHO-Forscher*innen in der Fachzeitschrift Nature.

Die Studie

Mit Übersterblichkeit meint die WHO, wie viel mehr Menschen 2020 und 2021 gestorben sind, weil es die Coronapandemie gab. Darunter fallen auch alle Toten, die nicht an Covid-19 gestorben sind, sondern die zum Beispiel wegen überlasteter Krankenhäuser keine ausreichende Versorgung bekommen haben, also indirekte Opfer der Pandemie sind. Dafür mussten die For­sche­r*in­nen zwei Zahlen vergleichen: wie viele Menschen 2020 und 2021 tatsächlich gestorben sind, und wie viele Menschen ohne Pandemie gestorben wären.

Die zweite Zahl ergibt sich relativ leicht aus den Sterblichkeitsdaten für die Jahre 2015 bis 2019, wenn es sie gibt. Für Länder, die keine einheitlichen Daten erheben, haben die For­sche­r*in­nen anhand verschiedener Indikatoren die Sterblichkeit modelliert und mit Ländern abgeglichen, deren Daten vorlagen. Wie viele Menschen 2020 und 2021 tatsächlich gestorben sind, haben die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen mit dem Einkommen der Länder, verschiedenen Gesundheitsindikatoren, der Temperatur und dem Anteil positiver Coronatests berechnet. Wie groß der Unterschied zwischen gemeldeten und modellierten Zahlen war, hing vom Land ab: In Indien war er sehr groß, in Deutschland minimal.

Die WHO geht auf Grundlage dieser Modelle von 13,23 Millionen bis 16,58 Millionen Coronatoten weltweit aus, also bis zu dreimal mehr als offiziell gemeldet. Im Jahr 2021 starben 18,3 Prozent mehr Menschen als in einem pandemielosen Jahr, 2020 waren es 8 Prozent mehr. Das erklären die For­sche­r*in­nen vor allem damit, dass sich das Virus erst 2021 in Indien verbreitete, das die höchste Übersterblichkeit weltweit zu verzeichnen hat. In Deutschland starben laut Studie 101.000 bis 143.000 Menschen, was in etwa auch der deutschen Schätzung entspricht.

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Was bringt’s?

Die For­sche­r*in­nen warnen davor, anhand der Daten voreilige Schlüsse über die Coronapolitik einzelner Länder zu ziehen. Die Altersstruktur, Bevölkerungsdichte, Kultur, Infektiösität der verschiedenen Varianten und die Reaktion der Bevölkerung auf Infektionsschutzmaßnahmen seien ebenso wichtig. Die WHO-Studie kann aber dazu dienen, den Blick in die richtige Richtung zu lenken: Wen hat die Pandemie besonders stark getroffen, und wen nicht? Und woran liegt das genau? Dieser Frage müssen sich Wis­sen­schaft­le­r*in­nen als Nächstes zuwenden.

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