Soziale Ungleichheit im Freundeskreis: Schweigen über Geld

Ein Beitrag des Jugendformats „Funk“ über den Umgang mit Armut im Freundeskreis hat für Aufregung gesorgt. Er mag missglückt sein, aber ist auch ehrlich.

2 Kinder hängen über einer leeren Sprechblase

Hätten wir damals offen darüber gesprochen, dann hätten wir die Scham aus dem Weg geräumt Foto: Malte Mueller/getty

Zwei Freunde verbringen gerne Zeit miteinander. Der eine kommt aus reichem Elternhaus, bei dem anderen wird das Geld zum Ende des Monats knapp. Dann steht die Abifahrt bevor. Der Letztere will, kann aber nicht mitfahren. Der Erstere weiß warum, sagt aber auch nichts. Eine unangenehme Situation. Wie könnten sie die Freunde lösen?

Der Freund ohne Geldsorgen könnte einfach akzeptieren, dass sein Freund weniger Geld hat und sich denken: „Das ist normal und niemand kann was dafür.“ Am besten spricht er das Thema „nicht jedes Mal“ an. Oder er hilft seinem Freund, indem er ihn einlädt. „Mitleid ist aber unangebracht.“ Das sind die Vorschläge von Funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF, die letztes Wochenende als Post auf Instagram verbreitet und seitdem viel kritisiert wurden. Viele Menschen haben sich über die Überheblichkeit der Ratschläge geärgert. Wieso sollte soziale Ungleichheit „normal“ sein, wenn sie politisch erzeugt wird? Wieso sollte niemand „etwas dafür können“, wenn Menschen, die von Ungleichheit profitieren, an ihr festhalten? Soll man das akzeptieren?

Ein paar Tage später hat sich Funk korrigiert: Es sei ein Fehler gewesen, Armut zu normalisieren. Die Tipps aber seien von einer Kollegin gekommen, die in extremer Armut aufgewachsen sei, und die sich gewünscht hätte, dass „ihre Armut im Alltag nicht ständig thematisiert worden wäre“. Mittlerweile ist die digitale Erregung weitergezogen. Und ich frage mich: Was ist das für ein Umfeld, vor dem die Betroffene sich für etwas schämt, für das sie nichts kann? Eigentlich ist es ja nur im Interesse der Reichen, das ungerechte und unvernünftige Nebeneinander von Arm und Reich schweigend zu akzeptieren. Doch die von Armut Betroffene hat exakt denselben Impuls.

Genauso läuft es

Der Beitrag von Funk mag missglückt sein, aber er ist immerhin ehrlich. Weil es eben oft genauso läuft in Freundeskreisen. Unter den Menschen, die sich heute über den Instagram-Post ärgern, könnten sehr gut auch Freundinnen und Freunde von mir sein, mit denen ich in der Schul- und Unizeit erfolgreich totgeschwiegen habe, was uns voneinander trennt: das Geld.

Wir haben nicht darüber gesprochen, weil es beide Seiten in Verlegenheit gebracht hätte. Das mache ich keinem zum Vorwurf. Auch wenn wir nicht darüber geredet haben, gab es immer wieder solidarische Momente in meinem Freundeskreis. In der Regel haben wir die unangenehmen Situationen und ihre Ursachen aber akzeptiert.

Wenn der Freund aus dem reichem Haus und ich, der Freund, der kein Geld für die Abifahrt hatte, damals offen miteinander gesprochen hätten, dann hätten wir die Scham aus dem Weg geräumt. Wir hätten eine solidarische Lösung für die Geldfrage finden können und ich wäre mitgefahren. Würden alle mehr über Ungleichheit reden, ließe sich das Problem grundsätzlicher angehen. Dann käme es erst gar nicht zu unangenehmen Situationen.

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Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.

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