Selenskis USA-Besuch: Inszenierung mit großem Erfolg

Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Selenski in Washington war eine erfolgreiche Inszenierung. Sein soldatisches Pathos begeisterte selbst Trump-Fans.

Joe Biden legt den Arm um Wolodimir Selenski

Großer Bruder: US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodimir Selenski am 21. Dezember in Washington Foto: Kevin Lamarque/reuters

Natürlich ging es beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Washington darum, Bilder zu schaffen und Emotionen zu wecken. Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine vor zehn Monaten war Selenski nicht mehr ins Ausland gereist. Seine dennoch in vielen Parlamenten der westlichen Welt gehörte Botschaft hatte er stets per Videoschalte überbracht.

Der Kurzbesuch in Washington, natürlich bewusst nicht im Anzug, sondern in dem gleichen olivgrünen Outfit, mit dem die ganze Welt Selenski inzwischen kennt, sollte andere, neue Bilder produzieren. Mit der ganzen Kraft des persönlichen Charismas des ausgebildeten Schauspielers und angegriffenen Kriegspräsidenten sollten Momente geschaffen werden, die sicherstellen, dass trotz des bevorstehenden Wechsels in der Führung des US-Repräsentantenhauses die für die Ukraine lebenswichtige finanzielle und militärische Unterstützung nicht nachlässt.

Selenski hatte schon in den vergangenen Monaten bei seinen Videoansprachen an westliche Parlamente versucht, eine Sprache zu finden, die die jeweiligen nationalen Besonderheiten aufgreift und mit dem ukrainischen Solidaritätsnarrativ verknüpft. Das ist ihm meist gelungen – besonders aber bei diesem Besuch in Washington.

Anders als etwa im trotz Zeitenwende noch immer militärskeptischen Deutschland konnte Selenski in den USA das ganze Pathos des tapfer sein Land verteidigenden Soldaten auffahren – mit­ ­Orden direkt von der Front. Dem nicht zuzujubeln, wäre ein No-go für US-Politiker*innen fast jeglicher Couleur. Die russlandfreundlichen ­Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen vom radikaleren Flügel ­waren so einmal richtig still.

Insofern war der Besuch selbstverständlich eine Inszenierung von der ersten bis zur letzten Minute – aber eine mit politischen Zielen. Die sind zumindest kurzfristig erreicht worden. Wie lange die amerikanische Unterstützung hält, muss sich freilich erst noch zeigen. Womöglich ist schon das Ergebnis der Haushaltsverhandlungen, die diesen Freitag zum Ende kommen müssen, wollen die USA nicht wieder in eine ­kurzfristige Zahlungsunfähigkeit der Regierung rutschen, ein Indikator dafür – auch wenn das darin enthaltene fast 50 Milliarden US-Dollar schwere Ukraine-Hilfspaket nicht im Mittelpunkt der parteipolitischen Auseinandersetzung steht.

Selenski, auch das hat dieser Besuch erneut bewiesen, ist in diesem Jahr über sich hinausgewachsen. Als Kriegspräsident ist er ein Glücksfall für die Ukraine. Es ist zu befürchten, dass das bis auf Weiteres auch seine Rolle bleibt.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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