81-Jährige über Zwangsräumung: „Muss noch mein Leben aufräumen“

Monika Bauer droht nach 38 Jahren in ihrer Wohnung die Zwangsräumung und Obdachlosigkeit. Ein privater Käufer ihrer Wohnung hat Eigenbedarf angemeldet.

An einer Brandwand eines Hauses steht: "Zwangsräumungen verhindern"

Zwangsräumungen verhindern! Foto: Jürgen Heinrich

taz: Frau Bauer, Sie sind mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert und sollen Ihre Wohnung Ende Februar übergeben. Was erwartet Sie dann?

Monika Bauer: Das ist für mich unvorstellbar. Mir droht die Zwangsräumung und ich habe Angst davor, obdachlos zu sein. Ich sehe dem Termin, an dem ich die Wohnung geräumt haben soll, mit Schrecken und Grauen entgegen. Es ist ein Albtraum: Wenn ich aufwache, denke ich immer: Ob jetzt ein Räumkommando kommt? In dem Alter muss man sein Leben ja noch irgendwie aufräumen und damit hätte ich auch noch zu tun. Bisher bin ich nicht auf Betreuung angewiesen. Ich hatte gedacht, in den nächsten drei Jahren in Ruhe zu schauen, wie es weitergehen kann; für mich, ohne diesen Druck. Jetzt fühle ich mich hilflos und weiß auch nicht, wie ich einen Umzug bewältigen könnte.

1941 in Berlin geboren. Wohnte früher in Kreuzberg, wo sie 30 Jahre als Grundschullehrerin arbeitete. (*Name geändert)

Wie wohnen Sie derzeit?

Seit 1984, also seit 38 Jahren, wohne ich in der Fechnerstraße in Wilmersdorf. Es ist eine 3-Zimmer-Wohnung mit 85 Quadratmetern für 780 Euro Warmmiete. Ich hatte damals bereits in der Nachbarschaft gewohnt, als ich die Zusage für die Wohnung erhielt, und bin dann mit meinen zwei Söhnen hier eingezogen. Inzwischen bin ich 81 Jahre alt. Meine Söhne wohnen inzwischen nicht mehr in Berlin, aber ich kenne hier so viele Menschen, mein Literaturkreis und alles, was ich brauche, ist in der Nähe. Hier möchte ich als Mieterin wohnen bleiben, solange es noch geht.

Haben Sie Aussicht auf eine andere Wohnung?

Ich habe nur Festnetz und kein Internet, deshalb hat mir ein Nachbar Adressen von Hausverwaltungen im Kiez besorgt. Ich habe aber bereits sechs oder sieben Absagen erhalten. Meine Rente ist auch nicht so hoch, weil ich Teilzeit gearbeitet habe. Die Absagen haben wir auch der Gegenseite geschickt, um zu zeigen, dass ich mich bewerbe. Deren Antwort ist aber, dass es in der ganzen Stadt viele freie Wohnungen gebe.

Marzahn kommt nicht infrage?

Ne, überhaupt nicht. Ich fühle mich hilflos, wenn ich nur daran denke. Das ist alles eine Stresssituation in meinem Alter, das hat auch ein ärztliches Gutachten bestätigt. Ich bin jetzt nicht mehr so für Veränderungen.

Dem Eigentümer ist Ihre Situation also bekannt?

Ja, klar, aber das ist ihm scheißegal. Der ist Anfang 40, war im Immobilienbereich und ist jetzt in der Baufinanzierung tätig. Der ist mit dem Metier also vertraut. Unser Haus wurde irgendwann in Eigentumswohnungen umgewandelt. Ende 2017 hat er sich die Wohnung angeguckt. Ich dachte, der latscht da durch und gut ist. Er tat auch ganz freundlich und hat mir gesagt, dass er an der Wohnung keinen Bedarf hat. Doch gleich im Januar 2018 hatte ich die Kündigung wegen Eigenbedarfs im Briefkasten. Im Nachhinein denke ich, er hat günstig kaufen können, so als vermietete Wohnung, und dann gedacht, jetzt raus mit der Alten.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe mich nach dem ersten Schreck bei der Mietergemeinschaft erkundigt und erst mal meinen Widerspruch formuliert. Doch er blieb dabei; zum 31. November 2018 sollte ich die Wohnung heraus­geben. Ich habe mich dann an einen Rechtsanwalt gewandt. Vor dem Amtsgericht Charlottenburg gab es einige Termine, bis ich im Januar letzten Jahres Recht bekommen habe. Der Eigentümer hatte argumentiert, dass ihm seine jetzige Wohnung zu klein ist, aber da gab es viele Unstimmigkeiten. Das ist ja in Wilmersdorf ’ne ganz gute Gegend, vielleicht will er die Wohnung auch fürs Doppelte vermieten oder weiterverkaufen. In der Berufung vor dem Landgericht bekam er in diesem Mai aber dennoch recht. Dabei haben im Haus alle gedacht, aufgrund meines Alters und meiner Verwurzelung hier kriegt er mich sowieso nicht raus.

Haben Sie persönlichen Kontakt zu dem Eigentümer?

1.668 Wohnungen sind in Berlin 2021 zwangsgeräumt worden, 34 weniger als im Jahr davor. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Die Mehrzahl der Zwangsräumungen resultiert aus Zahlungsrückständen.

Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen sind seit 2021 nur noch in Ausnahmefällen möglich. Doch seit 2011 wurden über 100.000 Wohnungen umgewandelt.

Eigenbedarfskündigungen drohen in den nächsten Jahren also zuhauf. Wenn ein Auszug eine unzumutbare Härte bedeutet, kann dies als Härtefall eingestuft werden, eine Kündigung ist dann nicht rechtens. (epe)

Nein, seitdem er in meiner Wohnung war, nicht mehr. Man hat sich nur noch vor Gericht gesehen.

Sie haben sich an die Initiative Zwangsräumung Verhindern gewandt. Wie kam es dazu?

Ich war im Haus der Nachbarschafft – mit Doppel-f – in Wilmersdorf ganz in der Nähe meines Spazierwegs zu einem Treffen von Leuten aus dem Kiez. Da habe ich meine Situation geschildert. Die haben mir dann das Bündnis genannt, das kannte ich vorher nicht.

Und dann sind Sie zu denen nach Kreuzberg gegangen?

Ich hatte erst ein Vorgespräch und seitdem komme ich immer zum Plenum. Zum Teil war ich auch an den Aktionen für den Micha beteiligt, der auch wegen Eigenbedarfs seine Wohnung verloren hat. Da gab es Kundgebungen am Ku’damm vor dem Budapester Schuhladen bei den Eigentümern der Wohnung. Einmal sind wir danach zu meinem Eigentümer und haben ihm einen Brief von Zwangsräumung Verhindern hinterlassen. Daraufhin vereinbarte er einen Gesprächstermin beim Plenum. Aber er erschien nicht. Stattdessen teilte seine Anwältin dann mit, dass er sich bedroht fühlt und in einer prekären Wohnsituation ist. Dabei wäre das doch gut gewesen, so eine Begegnung.

Sie suchen jetzt den Weg in die Öffentlichkeit. Welche Hoffnung verbinden Sie damit?

Es wäre schön, wenn der Eigentümer noch einlenken würde, aber das glaube ich nicht. Er hat sich ja verrechnet irgendwie, denn all die Jahre hätte er schon längst im Besitz der Wohnung sein wollen. Aber eigentlich erhoffe ich mir Hilfe dabei, noch eine Wohnung hier im Kiez zu finden.

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