Datenanalyse bei der Polizei: Begehrlichkeiten nach Gotham

Hessen nutzt eine US-Software, um jede Menge Polizeidaten automatisiert auszuwerten. Das Verfassungsgericht verhandelte nun über die Rechtmäßigkeit.

gelbe Polizeimütze als icon auf vor einem Hintergrund mit Zahlen und Buchstaben

Darf die Polizei amerikanische Software einsetzen? Foto: imago

KARLSRUHE taz | Darf die Polizei zur Verhinderung von Straftaten neue US-Software einsetzen? Darüber verhandelte an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht und hatte zunächst sehr viele Fragen: Was kann die Software, wie wird sie in der Praxis genutzt und wie werden die Möglichkeiten in einigen Jahren aussehen?

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand Hessen. Dort wird die Analyse-Software Gotham der US-Firma Palantir bereits seit 2017 unter dem Namen Hessendata eingesetzt. Eine Norm im hessischen Polizeigesetz erlaubt die automatisierte Datenanalyse. In Hamburg gibt es eine ähnliche Norm, die aber in der Praxis noch nicht angewandt wird. In NRW ist Gotham zwar im Einsatz, das dortige Gesetz war aber nicht Gegenstand der Verhandlung. Alle anderen Bundesländer wollen Gotham auch anschaffen.

Hessendata erlaubt eine schnelle Analyse von Informationen und Zusammenhängen. Wer kennt wen? Wer war wann wo? Dabei werden keine neuen Daten erhoben, sondern nur die Daten genutzt, die bei der hessischen Polizei bereits vorliegen. Er­mitt­le­r:in­nen müssen nicht mehr sieben Dateien abfragen und dann die Treffer zusammenführen, das macht nun Hessendata. „Nur wenn wir alle Puzzleteile einer Gefahr zusammenbringen, wird die Gefahr erkennbar“, sagte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU).

Die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) koordinierten elf Klä­ge­r:in­nen befürchten jedoch, dass sich dabei unzulässige Persönlichkeitsprofile herstellen lassen. Sie halten die polizeigesetzlichen Regelungen für unverhältnismäßig. Zu den Klä­ge­r:in­nen gehören etwa die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız und die Hamburger taz-Journalistin Katharina Schipkowski.

Ein hessischer Ministerialbeamter schilderte einen typischen Anwendungsfall: Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen wurde ein Verdächtiger gefasst. Die Daten aus dem Navi des Fluchtfahrzeugs wurden gesichert und mit Hessendata ausgewertet. So konnte nachgewiesen werden, dass der Wagen jeweils an den Tatorten der Sprengserie war, der Verdächtige galt als überführt. Das Beispiel zeigt, dass die Nutzung von Hessendata noch recht nahe an klassischer Polizeiarbeit ist.

Auch Daten von Zeu­g:in­nen und Opfern werden gespeichert

Innenminister Beuth betonte auch, was Hessendata nicht auswertet: Die Plattform werte nicht das gesamte Internet und auch nicht die sozialen Netzwerke aus. Nur im Einzelfall könnte etwa das Facebook-Profil eines Verdächtigen der Plattform zur Verfügung gestellt werden.

Hessendata beschränke sich auf Daten, die bei der hessischen Polizei gespeichert sind, und greife nicht auf Daten aus anderen Bundesländern oder beim Bund zurück. Die Software nutze auch keine künstliche Intelligenz und keine lernenden Systeme. Allerdings sind die Normen in Hessen und Hamburg so weit gefasst, dass durchaus mehr möglich wäre. Klägervertreter Tobias Singelnstein forderte das Gericht daher auf, jetzt schon die Vorgaben für eine komplexe Datenauswertung zu schaffen, bevor sich die entsprechende Praxis ausbildet. „Die Methoden der künstlichen Intelligenz entwickeln sich jeden Tag in hohem Tempo fort“, so Singelnstein.

Als problematisch könnte sich erweisen, dass in Hessendata nicht nur Daten von Tä­te­r:in­nen und Verdächtigen gespeichert sind, sondern auch von Zeu­g:in­nen und Opfern, von Beteiligten an Unfällen und von Personen, die bei der Polizei Fundsachen abgegeben haben. „Man kann nie ausschließen, dass Daten von Bedeutung sein können“, rechtfertigte dies eine hessische Ministerialrätin. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.