Alternativen zum WM-Gucken: Ziehboje zur Rettung

Für diejenigen, die die WM boykottieren, probiert die taz Alternativen aus. Heute lernt unsere Autorin, wie man richtig krault.

Ein Schwimmer im Becken.

So sieht Freistil aus Foto: dpa

Noch bevor die Sonne den Mond ablöst, taucht D. in das türkisblaue Wasser ein. Ich klettere etwas unbeholfen die Leiter runter ins Becken. Es ist Montag, Wellenbad Kreuzberg. Der kleine Zeiger der Uhr hat die sieben noch nicht erreicht. Draußen ist es stockduster, zwei Bademeister sitzen gelangweilt auf ihren Plastikstühlen. D. will mir Kraulen beibringen und meint: „Der echte Schwimmer geht in aller Früh ins Becken.“ Das stimmt offenbar. Am Morgen ziehen nur die Streberschwimmer ihre Bahnen. Aber wir sind im Nichtschwimmerbecken. Dabei schwimme ich vermutlich ziemlich durchschnittlich, Brustschwimmen, Nackenstarre. D. aber hat in der Adria schwimmen gelernt und gleitet durch das Wasser wie eine Göttin. Ihr Vater hat früher Wasserball gespielt und legte viel Wert auf eine saubere Schwimmtechnik, erzählt sie.

„Streck mal deine Arme aus, lass den Kopf unter Wasser und konzentriere dich nur auf deine Beintechnik“, sagt D. Nebenbei erwähnt sie, Brustschwimmen sei viel anspruchsvoller als Kraulen. Brav folge ich ihren Anweisungen: etwas schneller, die ganzen Beine benutzen, die Hüfte gerade halten. Was soll ich sagen? Die Bademeister werfen uns irgendwann ungefragt einen Schwimmklotz ins Wasser, der einen über Wasser hält.

Wir machen weiter mit Atemübungen: Unter Wasser ausatmen, den Kopf aus dem Wasser zur Seite drehen, einatmen, wieder mit dem Kopf unter Wasser. Klingt leichter als es ist. D. sagt: „Ist total kontraintuitiv, unter Wasser auszuatmen.“

Bereit fürs tiefe Becken

Irgendwann frage ich mich, ob D. eigentlich professionelle Schwimmlehrerin ist. Sie macht das unglaublich liebevoll. Am Beckenrand üben wir die Armtechnik, der Ellbogen muss hoch raus aus dem Wasser, dann kommt der Arm nach vorn und wird unter Wasser gezogen. Rechts geht das halbwegs, aber auf der linken Seite fühlt sich mein Körper so hölzern an wie diese Spielzeug-Hampelmänner, die sich bewegen, wenn man an der Schnur zieht. Aber ich klemme mir den Schwimmklotz zwischen die Füße und versuche mit beiden Armen zu kraulen.

Irgendwann befindet D., dass ich bereit bin für das tiefe Becken. Nun soll ich die einzeln erlernten Techniken zusammenführen. Paddeln mit den Beinen, die Arme richtig koordinieren und atmen nach jedem zweiten Schwimmzug. Natürlich klappt das nicht. Aber in meinem Wust an Bewegungen gibt es doch ein, zwei kraulähnliche Bewegungen. Und für einen kurzen Moment spüre ich Schwerelosigkeit. D. sagt: „Geht doch.“

Ich übe jetzt endlich motiviert so lange, bis mein Körper völlig unkontrolliert irgendetwas macht. D. lacht. Dann schwimmt sie wie ein Delfin in der Adria davon. Zu Hause angekommen, google ich, wie dieser Schwimmklotz heißt: Er heißt Pull-Buoy. Zu deutsch: Ziehboje.

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Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

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