Neue Rollen im Actionkino: Schwarze Frauen sind am Ruder

Die cineastische Rundum-Erneuerung des Heldenbegriffs geht weiter. Starke schwarze Frauen übernehmen das Kommando.

Porträt der Schauspielerin Lashana Lynch

Auf Heldinnenreise: Lashana Lynch, Darstellerin im Erfolgsfilm „The Woman King“ Foto: Scott Garfitt/ap

Es scheint nicht ganz klar zu sein, wo die Helden abgeblieben sind. „Whatever happened to the heroes? All the Shakespearos?“ fragten The Stranglers 1977 im Song „No more heroes“.

Futsch sind sie auf jeden Fall – zumindest die großen, blonden mit breiter Brust und kantigem Kinn, die aussehen wie Prinz Hans Westergaard aus Disneys Eismusical „Frozen“. Nicht der vor blaublütigem Charme triefende Stenz küsst am Ende die selbstermächtigte Prinzessin Elsa. Sondern Kristoff, ein Mitglied des indigenen Volks der Samen.

Mal abgesehen davon, dass der Held im Sinne der archetypischen „Heldenreise“, nach der klassische Erzählfilme strukturiert sind, ohnehin eine Heldin ist. Es ist Elsas Erlebnis, das der Film beschreibt.

Und die notwendige, cineastische Rundum-Erneuerung des Heldenbegriffs geht weiter. In „The Woman King“, dem Box Office-Hit über die historischen Agoji-Kriegerinnen aus dem (heute als Benin bekannten) Königreich Dahomey, der bislang fast 95 Millionen Dollar einspielte, werden diese neuen Heldinnen porträtiert.

Es sind schwarze, starke Frauen in sämtlichen Altersstufen und mit unterschiedlichen Körpern, die zwar, okay, alle gut tanzen und suffizient kämpfen können (sonst wären sie nicht Agoji geworden…). Die aber, und das ist neu im konservativen Hollywood-Narrativ, sich nicht mal von wohlmeinenden und -gestalteten Love Interests von ihrem Weg abbringen lassen.

Entscheidung gegen Romantik

In Gina Prince-Bythewoods opulentem Epos kämpft sich eine junge Frau namens Nawi zunächst aus den traditionellen Vorstellungen ihrer Eltern frei. Und verschmäht dann als Agoji-Kriegerin das unmoralische Angebot eines schönen Sklavenhändlers mit Dahomey-Wurzeln.

Die Szene, in der Nawi den Mann namens Malik beim Nacktbad im See überrascht und minutenlang seine Muskeln beäugt, ist bezeichnend für die neue und gesamtheitliche Idee hinter dem Film. Denn über Nawis „female gaze“ bekommt man zwar eine Ahnung, ein Versprechen von der klassischen romantischen Zweierbeziehung, die Hollywood sonst in sämtlichen Actionfilmen verwurzelt. Doch die Heldin entscheidet sich, selbst nach einem weiteren Treffen mit dem interessierten und fürsorglichen Malik, gegen ihn, und für eine zölibatäre Kriegerinnen-Karriere.

Die Frauenfiguren in „The Woman King“ sind dabei nicht gefühllos – Nawis Vorgesetzte (und Verwandte), Generalin Nanisca, hat mit der weiblichsten aller Körpererfahrungen, der Mutterschaft, zu tun. Aber das wird ihr als Stärke zugestanden, nicht als Schwäche. Ein Erdrutsch in der Held:innendarstellung.

Weibliche Eingreiftruppe

„Wakanda Forever“, der zweite, momentan die Kinocharts anführende Film aus Marvels Black Panther-Erzählung, legt – trotz wackeliger Story – ähnliche Figuren vor. Auch dort gibt es längst eine schnelle schwarze weibliche Eingreiftruppe. Und weil der Black Panther (beziehungsweise dessen Darsteller im wirklichen Leben) verstorben ist, übernehmen Frauen das Ruder, den Black Panther-Suit und den Kampf gegen die blauhäutigen Nöcks und Nixen, die das Königreich Wakanda bedrohen. Apropos Nöcks: Beide Filme sind – trotz historischer Anlagen bei „The Woman King“ – übrigens keine Tatsachenberichte. Man kann sie aber als starken Versuch werten, neue, nicht-weiße, nicht männliche Heroinnen zu etablieren.

Es wird auch weiterhin diskutiert werden, wie schwarz oder indigen Disney-Prinzessinnen tatsächlich zu lesen sind. Die rassistischen Netz-Reaktionen auf die Ankündigung des Multikonzerns, „Arielle die Meerjungfrau“ in einer Realverfilmung mit einer schwarzen Schauspielerin zu besetzen, haben der Idee einen ekelhaften Dämpfer verpasst. Aber das darf nicht entmutigen. Die neuen Heldinnen stehen bereit. Und Bonnie Tyler würde ihr dämliches „Holding out for a hero“ heute auch anders singen.

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