Nachruf auf Hans-Joachim Klein: Ehemaliger RZ-Terrorist gestorben

Hans-Joachim Klein war Mitglied der linksextremistischen Gruppe Revolutionäre Zelle. Im Alter von 74-Jährige ist der Terrorist in Frankreich gestorben.

Portrait von Hans-Joachim Klein.

Hans-Joachim Klein Foto: Everett Collection/imago

BERLIN taz | In Sainte-Honorine-la-Guillaume, Nordfrankreich, ist der ehemalige RZ-Terrorist Hans-Joachim Klein im Alter von 74 Jahren gestorben. Als er am 9. November starb, war sein körperlicher Zustand in keinerlei Hinsicht mehr mit dem Leben vereinbar. „Ihm ging es schon länger schlecht“, sagt sein Lebensbegleiter Daniel Cohn-Bendit. In Frankreich hielt Klein sich auf, weil es ihm ein Safe Space war, vor den Nachstellungen seiner früheren Ge­nos­s*in­nen aus der linken Terrorszene, auch vor den deutschen Ermittlungs- und Verfolgungsbehörden.

Klein stieß in den späten 60ern in die linke Szene und wurde rasch bekannt, weil er buchstäblich ein so umgänglicher wie freundlicher Mann war, der gut handwerken und sich mitreißen ließ, wenn es um linke Aktionen ging, die nicht gerade in die Gebote der Gewaltfreiheiten eingeschrieben waren.

Geboren, anders als die meisten RAF-Leute, als Kind einer proletarischen Familie, in der bürgerliche Ambitionen so gut wie keine Rolle spielten. Klein war empfänglich fürs Auf-den-Putz-Hauen, für Prügeleien, für körperlich ausgetragenen Streit. Ein Mann mit gewissen angeberischen Zügen, Typus Straßenjunge, der im Zweifelsfall loyal seinen Leuten gegenüber ist. Ein Mann der klaren Kanten, der gelegentlich doch weiche Züge zeigte. Man nannte ihn immer „Klein-Klein“.

Der gebürtige Frankfurter, dessen Französisch noch stark durch den hessischen Dialekt eingefärbt blieb, war eine der schillerndsten Figuren des linken Terrorismus der 70er. 1974 begann die Zeit seiner stärkster Berühmtheit, damals chauffierte er den französischen Philosophen Jean-Paul Sartre auf Empfehlung des Anwalts Klaus Croissant nach Stammheim, um die einsitzenden RAF-Gefangenen zu besuchen, besorgt um ihre Haftbedingungen. Im gleichen Jahr wurde er in die internationalen Roten Zellen um den linken Killer-Desperado Carlos vermittelt – mit ihm überfiel Klein 1975 in Wien die dort tagende Opec-Konferenz; das Kommando nahm eine Reihe von Ministern als Geiseln, drei Menschen wurden bei diesem Attentat getötet.

Klein konnte in ein jemenitisches Ausbildungscamp für linke Terroristen freigepresst werden. Im dortigen Exil, so sagte er in seiner Biografie, sei er erst zum Kritiker des linken Terrorismus geworden. Dann brach er mit seinem politischen Aktivismus. In Schreiben an das römische Spiegel-Büro gab er seinen Abschied vom linken Terrorismus bekannt. Bei einer Reihe von Frankfurter Freunden, darunter der linke Kabarettist Matthias Beltz und Daniel Cohn-Bendit, konnte Klein sich in Sicherheit bringen – vor der Polizei, vor den „Genossen und Genossinnen“, die für ihn nur ein Wort übrig hatten: „Verräter“.

Bis 1998 konnte er, im Schutz seines Dorfes, in Nordfrankreich untergetaucht bleiben, ehe er von deutschen Ermittlern aufgespürt und festgenommen wurde. Weil Klein sich als Kronzeuge zur Verfügung stellte, wurde er im Februar 2001 wegen dreifachen vollendeten Mordes, versuchten Mordes und Geiselnahme nicht zu zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, sondern zu neun Jahren Haft verurteilt. 2003 kam er vorzeitig frei.

Klein hinterlässt eine von ihm geschiedene Frau und zwei Kinder. Bei seiner Beerdigung war, so wird überliefert, das halbe Dorf anwesend – die Menschen in seiner Gegend mochten ihn, als sei er einer von ihnen. Ein hilfsbereiter, immer freundlicher, früher hätte man gesagt: aufrichtig leutseliger Mann mit einem seltsamen Französisch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.