Urteil zu „NSU 2.0“- Drohschreiben: Fast sechs Jahre Gefängnis

Ein 54-Jähriger hatte Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens geschickt. Nun wurde er zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Einer anonymisierten Person werden von einem Justizbeamten die Handschellen abgenommen

Der Angeklagte Alexander M. wies in einem letzten Vortrag alle Vorwürfe zurück Foto: Andreas Arnold/dpa

FRANKFURT AM MAIN epd/afp | Im Prozess um die Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Angeklagten Alexander M. zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Corinna Distler sprach den 54-jährigen Berliner am Donnerstag einer Vielzahl von Vergehen schuldig, darunter der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Bedrohung, Beleidigung, Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung. (AZ: 5/17 KLs – 6190 Js 216386/21 (24/21))

Die Staatsanwaltschaft hatte für M. eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert. Der Angeklagte wies in einem letzten Vortrag alle Vorwürfe zurück. Diese seien nicht belegt. Staatsanwaltschaft und Polizei verbreiteten Lügen, um den Verdacht auf ihn als angeblichen Einzeltäter zu lenken, sagte er. Er sei lediglich Mitglied einer rechten Chatgruppe im Darknet gewesen, habe aber keine Straftaten begangen. Er beantragte nach einem Jahr und sieben Monaten Untersuchungshaft Haftverschonung gegen geeignete Auflagen.

Wissler und Başay-Yıldız fordern weitere Aufklärung

Zwischen August 2018 und März 2021 waren mehr als 80 Drohschreiben per E-Mail, Fax oder SMS verschickt worden. Diese waren gespickt mit wüsten Beschimpfungen und Todesdrohungen. Adressaten waren vor allem Frauen des öffentlichen Lebens, Rechtsanwältinnen, Politikerinnen, Journalistinnen, Staatsanwältinnen. Die Schreiben waren mit „Heil Hitler“ unterschrieben. Die Bezeichnung „NSU 2.0“ spielte auf die rechtsextreme Gruppe an, die von 2000 bis 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete.

Vor dem Urteilsspruch hatten Empfängerinnen der Drohschreiben weitere Aufklärung gefordert. Die Ermittlungen zu den Abrufen privater Daten der Betroffenen auf Polizeicomputern müssten mit Nachdruck fortgesetzt werden, forderten Linke-Politikerinnen wie Janine Wissler und Frauen des öffentlichen Lebens, darunter die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die als erste Drohschreiben erhielt.

Die Betroffenen gingen davon aus, dass zumindest das erste Drohfax von einem Polizisten und nicht vom Angeklagten verschickt worden sei. Die Gewerkschaft der Polizei hat diesen Verdacht zurückgewiesen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.