Finalturnier des Davis Cup: Lucky Loser

Kanada hat zum ersten Mal den Davis Cup gewonnen. Felix Auger-Aliassime avancierte in Malaga zur wertvollsten Kraft der Siegermannschaft.

Felix Auger-Aliassime hechtet auf dem Tennis-Court

Wegen seiner Technik und Eleganz wird Felix Auger-Aliassime oft mit Roger Federer verglichen Foto: Agencia EFE/imago

Als am 5. März im „Sportcampus Zuidepark“ in Den Haag der letzte Ballwechsel gespielt war, hatte Kanada das Davis-Cup-Jahr eigentlich schon hinter sich. Wohlwollend betrachtet, hatte „Tennis Canada“ eine B-Mannschaft in die Niederlande geschickt, die Einzel bestritten Alexis Galarneau, die Nummer 204 der Weltrangliste, und Steven Diez, die Nummer 346 der Bestenwertung. Kanada verlor erwartungsgemäß 0:4, aber der damals zwei Wochen alte Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sollte in dieser Saison noch eine gewichtige sportpolitische Rolle für das nordamerikanische Team spielen – und was für eine.

Am Sonntagnachmittag des 27. November nämlich standen Felix Auger-Aliassime, Denis Shapovalov, Vasek Pospisil und der Rest des kanadischen Teams im Konfettiregen auf dem Centre Court von Malaga – und waren, kurios genug, als Auftaktverlierer des Jahres 2022 dennoch stolze Davis-Cup-Champions. Als „Lucky Loser“ des Ausschlusses von Russland und Belarus aus dem ältesten Teamwettbewerb strahlten die nachgerückten Kanadier mit einem Mal als Spitzenreiter auf, der erste Sieg der „Ahornblätter“ in der 109-jährigen Geschichte des Davis Cup. „Es ist zu gut, zu schön, um wahr zu sein“, sagte Topmann Auger-Aliassime (22), der mit seinen drei Einzelsiegen – auch gegen Deutschland mit Oscar Otte – beim Finalturnier in Andalusien zur wertvollsten Kraft der Siegermannschaft avancierte.

Auger-Aliassime (ATP 6) und Shapovalov (ATP 18) gelten ebenso wie die US-Open-Finalistin des Jahres 2021, Leylah Fernandez, als Leitfiguren einer goldenen Generation des kanadischen Tennis. Schon vor drei Jahren waren die Kanadier ins Davis-Cup-Finale vorgeprescht, scheiterten damals aber an Favorit Spanien. „Es sind unglaubliche Zeiten für Kanada“, schrieb der langjährige Topakteur Milos Raonic (32) in den sozialen Medien zum Triumph von Malaga, „das war aber noch längst nicht alles für uns.“ Raonic hatte mit seinem Finaleinzug 2016 in Wimbledon erstmals wirklich die Aufmerksamkeit auf den kanadischen Aufschwung und die exzellente Nachwuchsarbeit und Talentförderung in dem Land gelenkt.

Die späte kanadische Offensive beim Davis Cup 2022 kam allerdings nicht von ungefähr, denn sowohl Auger-Aliassime wie auch Shapavalov hatten den Grundstein für den kollektiven Erfolg mit Topleistungen in der zweiten Saisonhälfte gelegt. Auger-Aliassime, wegen seiner beeindruckenden Technik und Eleganz oft mit Roger Federer verglichen, war so etwas wie der „Mann des Herbstes“, nicht zuletzt wegen seiner Turniersiege in Basel, Florenz und Antwerpen nach den US Open.

Die finanziellen Kalamitäten

Allerdings hatte Auger-Aliassime auch schon gehörigen Anteil am kanadischen Sieg beim ATP Cup, dem Aufwärmturnier für die Australian Open im Januar – im Vorrundenduell mit Deutschland besiegte er damals Alexander Zverev, holte auch im Finale gegen Spanien den Einzelpunkt gegen Roberto Bautista-Agut. „Es war eine mörderisch anstrengende, extrem lange Saison. Aber jetzt bin ich nur unheimlich glücklich, was wir geschafft haben. Das ist der beste Moment überhaupt für mich“, sagte der 22-Jährige, der im Juni auch Rafael Nadal in einem denkwürdigen French-Open-Match in einen Fünf-Satz-Thriller bezwungen hatte.

Hinter den Kulissen des Finalturniers waren die finanziellen Kalamitäten des Rechteinhabers Kosmos Tennis um dessen Repräsentanten Gerard Pique das beherrschende Gesprächsthema. Aus französischen Quellen sickerte durch, dass Kosmos in den ersten Jahren als Veranstalter bereits weit über 50 Millionen Euro Verluste eingefahren habe. Am Ende wiederholter Modusänderungen und Reformen wirkte der Wettbewerb am Standort Malaga nun zwar attraktiver, aber noch weit entfernt von großer Strahlkraft auf internationale Investoren. Dass Kosmos sich um Ausrichter mit garantiert dickem Geldbeutel bemüht, ist kein Geheimnis. Wie auch im Fußball oder Golf führen neue Fährten hier nach Saudi-Arabien.

Nachdem viele europäische Verbände 2018 bei ihrem Bemühen gescheitert waren, die Verwandlung des Davis Cup und den Deal mit Kosmos zu verhindern, baut sich inzwischen neue Opposition auf – vor allem von Deutschland und Frankreich. Im Vorfeld des Finalturniers von Malaga hatte der französische Verbandschef Gilles Moretton bereits die „Intransparenz“ des Geschäftsgebarens des Weltverbands ITF mit Kosmos angeprangert – eine Frontalattacke auf den umstrittenen ITF-Häuptling David Haggerty (USA), der den Deal einst auf Biegen und Brechen durchgeboxt hatte.

Auch mit französischer Unterstützung will nun DTB-Chef Dietloff von Arnim im kommenden Herbst im mexikanischen Cancun als Gegenkandidat zu Haggerty bei der ITF-Generalversammlung antreten. Tennis Europa, der Zusammenschluss der kontinentalen Verbände, habe von Arnim gebeten, als Kandidat anzutreten, erklärte DTB-Vize Dirk Hordorff in der FAZ. Haggerty kann allerdings auf Unterstützung vieler kleinerer und mittelgroßer Nationen zählen, die er weiter mit Garantiezahlungen der ITF ködert.

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