Leistungskürzungen bei Geflüchteten: Klatsche für die Ampel

Weniger Geld für Geflüchtete in Sammelunterkünften ist rechtswidrig – ein Anlass, das Menschenbild, das hinter der Praxis stand, zu hinterfragen.

Bett und Schrank in einer Unterkunft.

Ungleichbehandlung von Flüchtlingen ist rechtswidrig: Sammelunterkunft in Berlin Foto: Christian Ditsch

Sie hatten viel vor: Für die Migrations- und Integrationspolitik kündigte die Ampel einen „Neuanfang“ gleich einem „Paradigmenwechsel“ an. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Leistungskürzung von alleinstehenden und alleinerziehenden Geflüchteten, die in einer Sammelunterkunft wohnen, für rechtswidrig erklärt, ist eine juristische Klatsche für die Bundesregierung, die das Versprechen eines grundlegenden Umbruchs im Umgang mit Newcomern bislang kaum eingelöst hat.

Zwar wurde die Regelung 2019 von Union und SPD eingeführt. Trotzdem fand diese Ungleichbehandlung von Asylsuchenden unter der selbsternannte Zukunftskoalition weiterhin Anwendung.

Denn ein Paradigma äußert sich nicht nur in einem einzelnen Gesetzestext: Es drückt ein Menschenbild aus, das politische Entscheidungen leitet. Aufgabe der Ampelkoalition wäre es also, grundlegende Annahmen über Geflüchtete zu hinterfragen, die die deutsche Asylpolitik seit Jahrzehnten dominieren. Wie jene, Menschen, die auf ihrem Weg nach Deutschland meist alles stehen und liegen lassen mussten, weniger Recht auf eine humane finanzielle Unterstützung haben, nur weil sie bislang noch nicht in die deutsche Steuerkasse eingezahlt haben.

Denn durch die Einführung des Bürgergelds bekommen alleinstehende „bedürftige oder erwerbsunfähige“ Menschen künftig monatlich 502 Euro ausgezahlt – nach der neuen Rechtsprechung stehen allen Asyl­be­we­rbe­r:in­nen nun 367 Euro zur Verfügung. Einige ukrainische Geflüchtete bilden hierbei eine Ausnahme – was darauf hinweist, dass es Reformpotenzial gibt.

Ein Paradigmenwechsel würde sich von einer Migrationspolitik abwenden, die vieles darauf setzt, das Leben der New­co­me­r:in­nen so schwer zu gestalten, dass sie besser gar nicht erst nach Deutschland kommen, und wenn doch, gefälligst sparsam leben, indem sie in Sammelunterkünften zusammen kochen. Doch davon, das hat dieses Urteil gezeigt, ist die Ampelregierung noch weit entfernt.

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ehemalige Praktikantin im Inlandsressort - jetzt nur noch frei unterwegs. Humanökologin und Mitglied der Forschungsgruppe Zetkin Collective mit den Schwerpunkten politische Ökologie der extremen Rechten in Deutschland, Ordoliberalismus, fossiler Kapitalismus und Energiepolitik.

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