Anschlag auf queere Bar in den USA: Überleben und aufeinander aufpassen

Richard M. Fierro hat den Angreifer in Colorado Springs überwältigt. „Meine Familie, das waren in dem Moment alle im Club Q“, sagt er.

Portrait

Richard M. Fierro wurde vor seinem Haus interviewt Foto: Alyson McClaran/reuters

Seit der Nachricht über den Anschlag auf die LGBTIQ-Bar Club Q in Colorado Springs kreist mir das Wort „Rufmord“ durch den Kopf. Auch wenn ich das Wort wahrscheinlich immer falsch verstanden habe. Für mich hieß dieser Ausdruck immer ein von Po­li­ti­ke­r:in­nen und Medien erzeugtes Klima, das indirekt Menschen und Institutionen dazu aufruft, andere anzugreifen, verbal bis hin zum körperlichen Angriff.

Rufmord übersetzte mein Gehirn also mit „zum Mord aufrufen“. Anscheinend bedeutet das Wort eigentlich Rufschädigung. Wahrscheinlich meine ich also Hassrede oder Volksverhetzung, wenn mein Gehirn zu mir „Rufmord“ sagt. Oder diese drei Dinge liegen so nah bei­einander, dass sie teilweise nicht zu unterscheiden sind.

Was ich aber sehr wohl unterscheiden kann, ist, wie zerstört und traumatisiert Richard M. Fierro noch immer war, als er vor seinem Haus mit Jour­na­lis­t:in­nen darüber sprach, wie er den Angreifer zu Boden reißen und gemeinsam mit anderen Gästen überwältigen konnte und wie abgeklärt und technisch die Art und Weise ihn klingen ließ, auf die er in vielen Artikeln nach dem Anschlag zitiert wurde.

Vor der Kamera steht aber kein militaristisch identifizierter Ex-Soldat, sondern ein Veteran unter Schock, der betont, dass er immer noch kriegstraumatisiert ist, und weiß, dass viele der Gäste jetzt mit PTBS zu kämpfen haben werden. Unter den fünf Ermordeten ist auch der Partner seiner Tochter.

Eine geteilte Community

Er habe seine Familie schützen wollen, auch das wird immer wieder zitiert, aber nicht der Nachsatz: „Meine Familie, das waren in dem Moment alle im Club Q.“ Wenn Rich Fierro von Community spricht, dann meint er Colorado Springs, den Club Q, wo ein:e Schulfreun­d:in seiner Tochter an dem Abend auftrat, die lokale Latinx Community, zu der er und seine Familie gehören, die Bar und Brauerei Atrevida mit eigenem Pride- und Juneteenth-Bier, die seine Frau Jess Fierro leitet und deren Slogan „Diversity, it’s on tap“ (Vielfalt vom Fass) laut der Website der Bar einigen Ein­woh­ne­r:in­nen in Colorado Springs schon zu viel ist.

„Atrevida means Bold, Daring, Audacious Woman“ (Atrevida steht für kühne, wagemutige, unerschrockene Frau) steht dort ebenfalls – es könnte auch das Motto vom Club Q sein. Es ist für mich nicht bemerkenswert, dass Rich Fierro heterosexuell ist, weil die Community, von der er spricht, eine geteilte Community ist, wie ich sie in den USA immer wieder erlebt und für einige Jahre geteilt habe. Wie sie gerade dort passiert, wo Ressourcen knapp sind und die Leute sich gegenseitig unterstützen.

„Nennen Sie mich bitte nicht einen Helden, ich versuche hier in Colorado Springs zu überleben, wie alle anderen auch“, sagt Fierro immer wieder. Überleben und aufeinander aufpassen.

So gut das eben geht in einer Dominanzgesellschaft, die uns isolieren will. Und in der der Wahlkampf vor den Midterms wieder mit Rufmord und Hassrede ausgetragen wurde.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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