„Reasonable Doubt“ bei Disney+: Mit zweierlei Maß

In der neuen Serie „Reasonable Doubt“ brilliert Emayatzy Corinealdi als smarte Anwältin. Eine, die mit beruflichen wie privaten Herausforderungen jongliert.

Filmstill

Cool und tough: Anwältin Jax Stewart (Emayatzy Corinealdi) Foto: hulu

Eine coole Schwarze Anwältin im Designer-Outfit, die sich um die oft fragwürdigen Belange hochkarätiger Klienten kümmert und nebenbei reichlich privates Chaos jongliert?

Nachvollziehbar, dass einem da Olivia Pope in „Scandal“ oder auch Annalise Keating in „How to Get Away with Murder“ einfallen. Nun reiht sich mit Jaqueline „Jax“ Stewart in „Reasonable Doubt“ (zu sehen bei Disney+) eine weitere Kollegin in die nach wie vor eher kurze Liste der „Black Women TV Lawyers“ ein, deren Namen „Scandal“-Hauptdarstellerin Kerry Washington kürzlich auf Instagram auf einem Sweatshirt präsentierte.

Während Washington, die hier als Produzentin sowie Regisseurin der Auftaktfolge involviert ist, damals in Washingtoner Politikkreisen tätig war, ist Emayatzy Corinealdi als Jax im sonnigen Los Angeles Partnerin einer großen Kanzlei, wo sie es vor allem mit Prominenten zu tun hat.

Als Vorlage für die Figur diente die Strafverteidigerin Shawn Holley. Sie war nicht nur am O. J.-Simpson-Fall beteiligt, sondern für Kim Kardashian, Snoop Dogg und Paris Hilton im Einsatz. Doch während Sportler*innen, denen von In­flu­en­ce­r*in­nen sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, für Jax quasi zur Tagesordnung gehören, erweist sich ihr neuer Fall als deutlich kniffeliger. Einem Erfolgsunternehmer und Beinahemilliardär (Sean Patrick Thomas) wird von einer ehemaligen Mitarbeiterin und Geliebten Nötigung vorgeworfen, wenig später wird sie ermordet aufgefunden.

Seine Unschuld zu beweisen, von der Jax bald überzeugt ist, erweist sich als einigermaßen schwierig, doch noch komplizierter ist ihr Privatleben. Mit Ehemann Lewis (McKinley Freeman) ist eine Trennung auf Probe angesagt. Die verläuft allerdings alles andere als reibungslos und sorgt auch bei den beiden Kindern für Unmut.

Als dann auch noch nach 16 Jahren ihr einstiger Klient Damon (Michael Ealy) aus dem Gefängnis entlassen wird, den sie als Pflichtverteidigerin nicht vor einer fälschlichen Verurteilung bewahren konnte, geht das an Jax auch deswegen nicht spurlos vorbei. Denn die beiden verbindet mehr als nur das Anwaltsgeheimnis.

Raamla Mohamed, die Schöpferin der Serie, gehörte bei „Scandal“ 2012 zum Autor*innen-Team. Auch das luxuriöse Hochglanz-Setting erinnert an den Glamour, den man sonst aus Shonda-Rhimes-Produktionen kennt. Doch die jetzige Serie, deren schlanke erste Staffel nur neun Episoden umfasst, wirkt weniger aufgeplustert und übertrieben, als es bei den Geschichten um Olivia Pope und Annalise Keating oft der Fall war.

„Reasonable Doubt“ gibt sich nicht der Illusion hin, Prestige-TV zu sein, sondern ist happy damit, zwischen Schlafzimmer und Gerichtssaal als Justizsoap für Kurzweil zu sorgen.

Fast beiläufig ist die Serie dann aber eben doch ein wenig mehr. Davon, was es heißt, einzige Schwarze unter lauter weißen Kol­le­g*in­nen zu sein, oder dass im US-amerikanischen Justiz- und Polizeisystem am Ende die Hautfarbe entscheidender ist als der Vermögensstand, vermittelt sie ein deutliches Bild.

„Reasonable Doubt“, Staffel 1, 9 Episoden, ab 23. 11. auf Disney+

Hauptdarstellerin Corinealdi muss zwar enorm viele Bälle jonglieren – ein Jugendtrauma, das die Beziehung zur von Pauletta Washington gespielten Mutter stark belastet, wurde hier noch gar nicht erwähnt – doch sie verkörpert auch eine Figur, die deutlich komplexer angelegt ist als es bei coolen Se­ri­en­hel­d*in­nen dieser Art sonst üblich ist.

Zwischen Kirchenbesuchen, außerehelichem Sex und heimlichen Zigaretten muss sie sich mehr als einmal vorwerfen lassen, gerade im Blick auf andere Schwarze Frauen mit zweierlei Maß zu messen.

„Deine Fähigkeit, Sachverhalte voneinander zu trennen, ist mir unbehaglich“, sagt ihre Assistentin einmal. Fürs Publikum sind es gerade die schwierigen Seiten der Karrierefrau, die sie zu einer ungewöhnlich interessanten Protagonistin machen.

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