Atommüll-Endlager verzögert sich: Begleitgremium ist entrüstet

Eigentlich sollen sie bei der Suche nach einem Endlager vermitteln: Nun erfahren die Mitglieder aus der Presse über eine gewaltige Zeitverschiebung.

Aufnahme mit einer wärmeempfindlichen Kamera.

Wohin mit dem Müll? Infrarotaufnahme eines beladenen Castorbehälters bei einem Transport 2008 Foto: Greenpeace/dpa/picture alliance

GÖTTINGEN taz | Wissenschaftsbasiert, fair und transparent soll die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll ablaufen, die Öffentlichkeit soll frühzeitig am Verfahren beteiligt werden – so schreibt es das Standortauswahlgesetz von 2017 fest.

Allerdings hat das Nationale Begleitgremium (NBG), das den Prozess vermittelnd begleiten soll, nach eigenem Bekunden erst aus der Presse erfahren, dass sich die Suche wohl um Jahrzehnte verzögern wird. Die Entrüstung unter den Mitgliedern sei groß, beklagte sich das NBG am Montag, stehe das Gremium doch für Transparenz und die Schaffung von Vertrauen in das Verfahren.

Durch Medienberichte war bekannt geworden, dass der Standort für das Endlager wohl frühestens zur Mitte dieses Jahrhunderts feststehen wird. Im Gesetz steht, dass der Standort im Jahr 2031 festgelegt werden soll. Noch im vorigen Dezember hatte die mit der Suche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erklärt, dass sich an dieser Vorgabe nichts ändere. Am 10. November räumte die BGE dann ein, dass dieser Termin nicht zu halten ist. Die Auswertung geologischer Daten und auch die Entwicklung der nötigen Methoden verlange mehr Zeit.

Die Süddeutsche Zeitung hatte zudem unter Berufung auf interne Unterlagen der BGE über zwei zeitliche Szenarien für die Auswahl eines Standorts berichtet. Im schnelleren Szenario könne bis 2046 feststehen, an welchem Ort der Atommüll gelagert werden soll.

„Das ist ein Vertrauensbruch“

„Die Art und Weise, wie wir und die Öffentlichkeit von dieser Verzögerung erfahren haben, ist ein großes Problem“, sagte Bayerns Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein, der seit März 2020 im 18-köpfigen NBG sitzt. „Wie kann es sein, dass wir in einem ständigen Austausch mit der BGE und anderen Akteuren stehen, aber solch eine wichtige Zeitverschiebung erst aus der Presse erfahren? Das ist ein Vertrauensbruch.“

Von einem „Paukenschlag“, spricht die Ko-Vorsitzende des Begleitgremiums, Miranda Schreurs. Sie werfe auch Fragen über die zukünftige Rolle des Gremiums auf und bestärke die Notwendigkeit der Prinzipien des Standortauswahlgesetzes, nämlich Partizipation und Transparenz.

Die Auswirkungen der Verzögerung auf das Suchverfahren sind nach Ansicht des NBG erheblich – und reichen von der Konzeption der Öffentlichkeitsbeteiligung über finanzielle Aspekte bis zum Problem mit den Zwischenlagern. Gemeinden mit Zwischenlagern fragten sich, wie lange die Castoren wohl nun bei ihnen gelagert würden. Junge Menschen stellten sich die Frage, ob die finanziellen Mittel ausreichten, um diesen verlängerten Suchprozess und die Endlagerung zu finanzieren.

Die Verschiebung um Jahrzehnte sei wegen der verlängerten Zwischenlagerung problematisch, meint die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg. „Das wirft erhebliche Sicherheitsbedenken auf“, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke der taz. Die Castor-Behälter, in denen der Atommüll aufbewahrt wird, und die Zwischenlager seien jeweils für 40 Jahre ausgelegt und genehmigt worden. Die zentralen Lagerstätten im niedersächsischen Gorleben sowie im westfälischen Ahaus verfügten nur bis 2034 beziehungsweise 2036 über Betriebsgenehmigungen. „Wir sind“, so Ehmke, „höchst beunruhigt.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.