Klimagipfel in Scharm al-Scheich: Ein Rockstar für den Regenwald

Brasiliens künftiger Präsident Lula wird auf dem Klimagipfel COP27 in Ägypten umjubelt. Geht es jetzt los mit dem Waldschutz?

Eine Frau küsst Lula da Silva auf die Stirn

Brasiliens künftiger Präsident Lula da Silva nach seiner Ankunft auf dem UN-Klimagipfel COP27 Foto: Christophe Gateau/dpa

SCHARM AL-SCHEICH taz | Als Luiz Inácio Lula da Silva am Mittwochabend auf der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich ankommt, wird er stürmisch begrüßt. Viele Menschen drängen sich schon Stunden vorher vor dem Gebäude, in dem der ehemalige und nun auch designierte Präsident Brasiliens auftreten soll. „Lula!“, schallt es aus allen Ecken. An den Fenstern der umliegenden Gebäude stehen ebenfalls reihenweise Menschen, die versuchen, einen Blick auf den linken Politiker zu erhaschen. Wer Lula nicht kennt, könnte auf den Gedanken kommen, es wäre ein Rockstar auf dem Weg.

Schon längst vor Lulas Ankunft auf dem Klimagipfel wurde er dort gelobt. Brasilien habe „vor einigen Tagen“, also bei der Präsidentschaftswahl, beschlossen, die Zerstörung des Amazonas einzustellen, frohlockte etwa der frühere US-Vizepräsident Al Gore schon zum Auftakt der Gespräche in Scharm al-Scheich. Der große Jubel dürfte aber auch damit zu tun haben, dass Lula eben nicht sein Vorgänger ist.

Durch die Abwahl des rechtsextremen Klimawandelleugners Jair Bolsonaro erscheint plötzlich vieles möglich. Unter ihm als Regierungschef wurde der Amazonas-Regenwald, der mehr als hälftig zu Brasilien gehört, massiv heruntergewirtschaftet. Bolsonaro kürzte bei Umweltbehörden und -ministerium, legte den internationalen Amazonas-Schutzfonds brach, ignorierte den brasilianischen Aktionsplan zum Schutz des Amazonas, forderte zum Landgrabbing auf Waldgebieten von indigenen Bevölkerungsgruppen auf.

Plötzlich stiegen die Abholzungsraten wieder, obwohl sie zuvor jahrelang gesunken waren. Laut Studien ist mittlerweile fast ein Fünftel des brasilianischen Amazonas entwaldet, also entweder gerodet oder etwa Bränden zum Opfer gefallen. Es steht nicht gut um das Gebiet, das als die grüne Lunge der Erde gilt. Mittlerweile bindet der Wald nicht mehr Kohlenstoff, als in ihm freigesetzt wird, legen Studien nahe. Es steht zu befürchten, dass sich diese dramatische Entwicklung irgendwann verselbstständigt: Bäume verdunsten Wasser, das dann wieder herunterregnet. Fehlen Bäume, fehlt auch Regen und die Region trocknet aus. Das schwächt die Bäume, die noch da sind. Das Waldsystem könnte vollends kippen.

Neustart beim Klimaschutz

Lula hingegen, in früherer Amtszeit nicht unbedingt als Grüner bekannt, ging diesmal mit dem Schutz des Regenwalds in den Wahlkampf. „Brasilien ist zurück“, ruft Lula seinem Publikum am Mittwoch zu. Das Land sei bereit, sich wieder daran zu beteiligen, den Planeten gesünder zu machen. Denn natürlich hatte Brasilien in der Vergangenheit nicht nur beim Klimaschutz zu Hause blockiert, sondern auch auf den Weltklimagipfeln. Damit soll nun Schluss sein, stellt Lula zumindest in Aussicht. Er hat sein Land auch schon als Standort für den Weltklimagipfel im Jahr 2025 angeboten.

Auch Lula weiß allerdings, dass viele Bra­si­lia­ne­r:in­nen durch die Regenwaldabholzung direkt oder indirekt Geld verdienen. Im Wahlkampf hatte er sich für eine von den Industrieländern finanzierte Zusammenarbeit beim Waldschutz ausgesprochen. Anfang der Woche, am Rande des G20-Gipfels in Bali, hat sich das Land in dieser Sache schon mit Gastgeber Indonesien sowie der Demokratischen Republik Kongo zusammengeschlossen. Auf die drei Staaten entfällt mehr als die Hälfte der weltweiten Tropenwälder. Die Regierungen wollen zusammen als eine Art „Regenwald-Opec“ auf Entschädigungen dafür pochen, dass sie die Abholzung reduzieren.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will mit Brasiliens künftiger Regierung über eine entsprechende Partnerschaft sprechen. Brasilien habe jetzt „die Chance, wegzukommen von einer Wirtschaft, die auf Waldzerstörung basiert“, sagt sie.

Ein Selbstläufer wird die Rettung des Amazonas-Waldes also nicht. Der Wirbel um Lula riss indes auch am Donnerstag nicht ab. Morgens sprach er zunächst mit Ve­tre­te­r:in­nen der Zivilgesellschaft. Nachmittags stand ein Treffen mit Indigenen aus Brasilien auf seiner Agenda. Beide Gespräche müssen von einem Ort direkt neben dem Pavillon der brasilianischen Regierung auf dem Gelände verlegt werden. Der offizielle Grund: zu viel Andrang. Das ist angesichts der Massen, die sich vor dem neuen Saal drängen, leicht zu glauben. Über den Flur wandert aber auch noch eine weitere Erklärung: Dass Noch-nicht-Amtsinhaber Lula so viel Aufmerksamkeit bekommt, dürfte der noch amtierenden Bolsonaro-Regierung kaum gefallen.

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