Krieg in der Ukraine: Die Chance ergreifen

Der russische Truppenabzug aus Cherson könnte der Anfang vom Ende sein. Jetzt heißt es, Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau voranzutreiben.

Ein Zivilist in Cherson umarmt und küsst einen ukrainischen Soldaten

Begeistert heißt ein Mann in Cherson einen ukrainischen Soldaten willkommen Foto: Efrem Lukatsky/ap

Unter Bezug auf kremlnahe Stimmen berichten unabhängige russische Medien, dass der Rückzug aus Cherson dem Wunsch nach Verhandlungen geschuldet sei. Das ist durchaus möglich. In jedem Fall ist die Rückeroberung Chersons nicht nur in der Ukraine ein Grund zum Feiern. Jetzt hat Kiew die Gelegenheit, selbst die Bedingungen für einen Waffenstillstand und einen Frieden auf den Tisch zu legen.

Die militärische Schwäche Russlands ist offensichtlich, und der ukrai­nische Präsident Wolodimir Selenski kann jetzt eine starke Rolle übernehmen. Allerdings muss er zunächst Überzeugungsarbeit gegenüber den Ukrai­ne­r*in­nen leisten. Dass die ukrainische Armee so weit gekommen ist, hat sie vor allem den USA als stärksten finanziellen und militärischen Partner zu verdanken, der teils das Tempo bestimmt.

Letztens telefonierten US- und russische Militärs. Auch mehren sich in Washington die Stimmen, die sagen, die militärische Hilfe an die Ukraine hat das Limit erreicht und dass die Zeit für Diplomatie reif ist – auch unter den Demokraten. Nun mit Cherson als militärischem Wendepunkt ist zu erwarten, dass Joe Biden graduell den Druck auf Selenski erhöht.

Der Rückzug aus Cherson und sich daraus ergebenen Möglichkeiten sollten nicht verpasst werden. Auch innerhalb der Europäischen Union nicht. Nach der Wahl der rechtsextremistischen Giorgia Meloni kann sich Italien sehr leicht an der prorussischen Position Ungarns orientieren. Die vermehrten sozialen Unruhen infolge von Inflation und Energiekrise versprechen, dass die Empathie mit der ukrainischen Bevölkerung nicht unendlich andauern wird.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat das längst erkannt und, wie es schon Tradition ist, versucht er nun, den Ton innerhalb der EU anzugeben. Er plädiert für eine diplomatische Lösung. Überzeugt werden müssen die Hard­li­ne­r*i­nnen der EU, die ein Ende des Kriegs in der Ukraine nur in Verbindung mit einem militärischen Erfolg sehen. Erfahrungsgemäß wirkt ­Macrons Rhetorik in der EU, auch bei Kanzler Olaf Scholz.

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Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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