Umverteilen-Demo in Berlin: Links bewegt sich wieder was

Dem bislang größten linken Krisenprotest des Herbstes gelingt etwas entscheidendes: der gemeinsame Fokus auf das Ziel der Umverteilung des Reichtums.

Frontblock der Umverteilen-Demo

Thematische Einigkeit: Umverteilen-Demo in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Die Gesundheit dürfe nicht nach Profitlogik organisiert und Krankenhäuser müssten aus den Fängen privater Konzerne zurückgeholt werden – so die Forderungen im Demoblock der Krankenhausbewegung. Etwas weiter vorne im Demonstrationszug wird DW Enteignen nicht müde, eine „massive Senkung“ der Mieten und Nebenkosten einzufordern. Die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel, die „subventioniert“ gehören, wie es gelegentlich heißt, lassen andere von „Döner-Riots“ träumen. Und der Block der Klimabewegung fordert, die „richtige Kohle“ abzubaggern, etwa um den Umstieg auf erneuerbare Energien viel schneller voran zu treiben.

Allen skizzierten Problemen und Anliegen ist dabei eines gemein: Sie benötigen Geld. Nur konsequent ist es daher, dass die Bewegungslinke der Stadt in einem Bündnis aus mehr als 50 Gruppen am Samstag gemeinsam auf die Straße gegangen ist, vereint hinter der Parole: „Umverteilen. Von oben nach unten.“

7.000 Menschen schlossen sich der Demonstration durch Mitte, organisiert vom neu gegründeten Umverteilen-Bündnis an, mehr als bei jedem linken Sozialprotest zuvor in diesem bislang gar nicht „heißen“ Herbst. Es sind so viele, dass der Zug, als er die Humboldt-Universität Unter den Linden erreicht, bis zum Platz vor dem Roten Rathaus zurückreicht. Nur noch selten, außerhalb vom 1. Mai, gelingt es der Linken mit so vielen Menschen aufzutreten.

Die Zahl alleine ist für die Szene ein Lebenszeichen, wichtiger aber ist, die Formulierung, ja Wiederentdeckung des eigentlich Selbstverständlichen: Es gibt eine Verbindung fast aller, oft vereinzelt geführter emanzipativer Kämpfe. Es gibt die gemeinsame Notwendigkeit veränderter ökonomischer Bedingungen.

Basis fehlt

Viel zu lange hat die Linke diese Analyse und gemeinsamen Bezugspunkt links liegen gelassen, und darüber auch ihren Kontakt zu den Menschen verloren, die als Ausgebeutete und Sich-Abstrampelnde im kapitalistischen System Sympathien für die Ideale von sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit haben müssten. „Die Linke weiß, dass ihr die soziale Basis fehlt“, sagt ohne jede Umschweife eine der Pressesprecherinnen des Bündnisses im Gespräch mit der taz.

Die Demo hat daran zunächst nichts geändert. Denn die „werktätigen Massen“, wie sie einmal hießen, sind trotz der allenthalben großen Sorgen angesichts von allgemeiner Inflation und Energiepreisschock im speziellen, eben nicht en masse erschienen.

Schon die Dichte an Fahnen und Schildern verriet, dass die bereits Organisierten hier die Oberhand hatten. Dennoch, zumindest das Zeichen ist gesetzt: Dass die gesellschaftliche Linke sich um die Alltagssorgen der Menschen kümmert und Angebote schafft, gegen die Ängste vor der sich verschlechternden ökonomischen Situation zu protestieren. Ein Angebot gleichwohl, dass die Schuldigen dafür nicht in geheimen elitären Führungszirkeln noch bei den noch Schwächeren verortet, im Gegensatz zu Ver­schwö­rungs­ideo­lo­g:in­nen oder AfD also echte Lösungsansätze bietet.

Wege aus der Krise

Und es passiert mehr: Das Krisenbündnis Genug ist Genug, das sich ebenfalls angeschlossen hatte, setzt seinen Fokus auf eine Verbindung mit Gewerkschaftskämpfen. Andere, eher anarchistische, aber um breite Organisation bemühte Linke, setzen auf die Basisarbeit und Ansprechbarkeit im Alltag. Erstaunliche 100 Nach­ba­r:in­nen folgten etwa im Vorfeld der Demo einer Kiezversammlung in Lichtenberg.

Alleine ist die Linke mit ihrem wiedererlangten Fokus auf eine Umverteilung des Reichtums dabei keineswegs. Selbst der Internationale Währungsfonds oder die Wirtschaftsweisen hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, die Reichen in die Pflicht zu nehmen, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. Nur Finanzminister Christian Linder (FDP) sieht sich immer noch als Verteidiger der Privilegiertesten.

Die Forderung „tax the rich“ fand sich dann fast folgerichtig am alten Gemäuer des Bundesfinanzministeriums wieder. Drei Farbkleckse auf dem Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, kamen kurz vor dem Abschluss der Demo noch dazu – ein radikaler Gestus, letztlich wohl weniger abschreckend als ein hermetisch abgeriegelter, vorweglaufender Block einiger antiimperialistischer Linker, der mit einseitiger Anti-Nato-Rhetorik oder positiver Bezugnahme auf die palästinensische Intifada letztlich das Ziel der Anschlussfähigkeit an die Menschen, um deren Sorgen es gehen sollte, verfehlte.

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Doch das Bild der Demo bestimmte das nicht. Andere Unannehmlichkeiten, Teil­neh­me­r:in­nen aus rechter Verschwörerecke, eine Verklärung Russlands oder die Illusion, die Öffnung der Nord-Stream-Pipelines wäre ein zukunftsweisender Schritt, blieben dem Bündnis gänzlich erspart. Fragen muss sich das Mosaik der Bewegungslinken jedoch: Wo in der thematischen Blockstruktur ist eigentlich Platz für jene Unorganisierten, die man eigentlich gewinnen will?

„Die Hoffnung ist, dass es mit dem Bündnis weitergeht“, formulierte deren Sprecherin am Samstag noch zurückhaltend. Die Bilanz und die Aufgaben dieser Demonstration dürften einige Argumente für eine Fortsetzung liefern. Wie hieß es doch im Aufruf: „Jeder Tariflohn, das Renten- und Gesundheitssystem und alle sozialen Verbesserungen der Vergangenheit wurden von unten erkämpft.“ Es bleibt viel zu tun.

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