Medizinische Einwegartikel: Praxen plastikfrei – das geht

Bei niedergelassenen Ärz­t*in­nen fallen jede Menge Wegwerfartikel an. Es geht auch nachhaltiger, zeigt ein Kieler Start-up.

Ein Mülleimer mit Plastikmüll

Medizinischer Müll Foto: Mikel Alica/Addictive Stock/imago

KIEL taz | Sekunden in der Hand, dann in den Müll: Müssen die Einweg-Hilfsmittel in ärztlichen Praxen sein? Nein, glauben Nora Stroet­zel und Nicolai Niethe. Die Ingenieurin und der IT-Spezialist haben das Unternehmen Praxis ohne Plastik gegründet. Das Start-up berät Praxisteams, wie sie Müll und Energie sparen können.

Einsame Strände, Urwald, Korallenriffe – eine Weltreise führte die heute 34-jährige Stroet­zel an die entferntesten Plätze der Erde. Überall stieß sie auf Plastik. Zurück in Deutschland war ein Plastikbecher, den sie in einer Zahnarztpraxis zum Mundspülen bekam, der Auslöser: Stroetzel begann, nach Alternativen zu suchen. Dank eines Gründerstipendiums arbeiten sie und IT-Fachmann Niethe seit Kurzem in Vollzeit daran, Praxen mit Tipps und Produkten zu helfen. Drittes Mitglied im Team ist Annina Gräber, die aus dem Pflegebereich kommt.

„Viele Ärz­t*in­nen sind sehr offen, sie wollen etwas ändern“, sagt Stroetzel. Gerade die jüngeren Me­di­zi­ne­r*in­nen empfänden es als krassen Gegensatz, im Privatleben Müll zu sparen, aber im Beruf täglich Plastikberge zu hinterlassen. Auch aus Gesundheitsschutz: Das Material, das für Verpackungen, Spitzen, Untersuchungslöffel und vieles mehr genutzt wird, vermüllt nicht nur die Landschaft, sondern findet als Mikroplastik den Weg in den menschlichen Körper. Fünf Gramm, so viel wie eine Kreditkarte wiegt, nehme ein Mensch pro Woche auf, heißt es in einem Faktenpapier der „Praxis ohne Plastik“.

Doch im stressigen Praxis­all­tag falle es oft schwer, die Arbeitsweisen zu durchleuchten und müllfreie Alternativen zu finden, wissen Stroetzel und Niethe. In Seminaren bekommen Praxisteams Ratschläge, um ihre Arbeit umzustellen. „Wichtig ist, dass alle Beschäftigten teilnehmen“, sagt Strotzel. Denn um Nachbestellungen von Material kümmern sich meist nicht die Praxisinhaber*innen, sondern die medizinisch-technischen Angestellten. Zurzeit finden analoge Workshops nur in Schleswig-Holstein statt, daneben gibt es virtuelle Treffen.

Teuer muss nicht sein

Für den Umstieg braucht es meist keine Investitionen, sondern nur andere Arbeitsweisen und Alternativen, etwa für den Plastikbecher beim Zahnarzt: „Viele Praxen sterilisieren ohnehin ihre Geräte. Es ist möglich, auch Becher zu reinigen“, sagt Stroetzel. Anstelle der Moorpackungen, also in Plastik eingeschweißten Torf, könnten künftig Kirschkernkissen verschrieben werden. Im geplanten Onlineshop sollen Praxen weitere Anregungen finden: „Viele kleine Hersteller produzieren bereits nachhaltig“, sagt der 33-jährige Niethe. „Man muss die Informationen nur zusammentragen.“

Manchmal aber stehen Vorschriften im Weg. Die Regeln seien zu streng, meinen die Start-up-Gründer*innen: „In einer normalen Praxis braucht es nicht dieselben Standards wie in einem OP-Saal.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.