+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russlands Offensive stagniert

Trotz der angeordneten Teilmobilmachung macht Russland wohl kaum Geländegewinne. EU-Kommissar Reynders erwartet noch 2022 erste Kriegsverbrecherprozesse.

Der Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, Waleryj Saluschnyj, nimmt an einem Treffen mit US-Außenminister Blinken, US-Verteidigungsminister Austin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Kiew teil

Laut Waleryj Saluschnyj, Oberkommandierenden der ukrainischen Streitkräfte, läuft Russlands Mobilmachung ins Leere Foto: dpa

Moskau: Kriegsschiff auf Krim durch Drohnenangriff beschädigt

Bei den Drohnenangriffen auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist nach russischen Angaben in Sewastopol ein Kriegsschiff der Schwarzmeerflotte getroffen worden. Das Minenräumschiff „Iwan Golubez“ und auch Anlagen in einer Bucht seien leicht beschädigt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Samstag mit. Die Angriffe seien unter Anleitung britischer Spezialisten in der Ukraine erfolgt. Diese Einheiten seien auch für die Anschläge auf die Ostsee-Gasleitungen Nord Stream 1 und 2 im September verantwortlich, behauptete das Ministerium.

„Heute Morgen um 4.20 Uhr ist vom Kiewer Regime ein Terroranschlag auf die Schiffe der Schwarzmeerflotte verübt worden“, erklärte das Ministerium. Insgesamt seien 16 Drohnen auf Sewastopol abgefeuert worden. Die meisten seien abgefangen worden. Das Ministerium wies darauf hin, dass die Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte an dem unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen geschlossenen Abkommen für den Export von Getreide aus ukrainischen Häfen beteiligt seien. Russland hatte immer wieder gedroht, das Abkommen im Fall von Terror- oder Sabotageakten platzen zu lassen. (dpa)

Großbritannien weist russische Anschlags-Vorwürfe zurück

Großbritannien weist Vorwürfe Russlands zurück, es sei verantwortlich für einen Anschlag auf die Gas-Pipeline Nord Stream in der Ostsee. Um vom katastrophalen Verlauf der Invasion der Ukraine abzulenken, gehe das russische Verteidigungsministerium mit grotesken falschen Behauptungen hausieren, sagt ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums. (rtr)

Didier Reynders: Anklage auch gegen Putin möglich

EU-Justizkommissar Didier Reynders hält wegen des Ukraine-Kriegs auch eine Anklage gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor einem internationalen Gericht für möglich. Es sei nicht seine Aufgabe, die Strafverfolgung einzelner Personen zu empfehlen, sagte der belgische Politiker dem Hamburger Abendblatt. „Aber wenn Strafverfolger auch an der höchsten Ebene ansetzen wollen, sollen sie es tun.“ In einem solchen Fall bestehe lebenslang die Möglichkeit, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Reynders zeigte sich „ziemlich sicher“, dass die ersten Kriegsverbrecher-Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen Russen noch dieses Jahr beginnen. Weiter sagte der EU-Kommissar, die vom Westen eingefrorenen Vermögen des russischen Staates und von Oligarchen können beim Wiederaufbau in der Ukraine helfen. So könne der Westen 300 Milliarden Euro aus Devisenreserven der russischen Zentralbank so lange als Garantie behalten, „bis Russland sich freiwillig am Wiederaufbau der Ukraine beteiligt“. (dpa)

Ukraine: Russland macht keine Fortschritte

Russland hat nach Darstellung der Ukraine im Krieg gegeneinander auch nach der Teilmobilmachung keine Fortschritte gemacht. Trotz eines Übergewichts bei den Waffen und weiterer Soldaten – einschließlich eingezogener Reservisten – sei der Feind nicht erfolgreich, sagte der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Waleryj Saluschnyj, am Samstag in Kiew. Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor mitgeteilt, die Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten sei abgeschlossen.

Die Ukraine konzentriere sich weiter darauf, besetzte Gebiete zu befreien und die Einnahme neuer Regionen durch die russischen Besatzer zu verhindern, sagte Saluschnyj nach eigenen Angaben bei einem Gespräch mit US-Generalstabschef Mark Milley. Zudem sei die Flugabwehr aktiv, um wichtige Infrastruktur vor Raketenangriffen zu schützen.

Dem ukrainischen Generalstab zufolge wurden allein im Gebiet Donezk 300 Besatzer „vernichtet“. Im Gebiet Luhansk meldeten die ukrainischen Behörden, dass bei Artilleriefeuer auf Kasernen und Militärtechnik der russischen Besatzer bis zu 20 Besatzer getötet worden seien. Überprüfen ließen sich diese Angaben von unabhängiger Seite zunächst nicht. Die russische Seite meldet fast täglich, dass Hunderte ukrainische Soldaten getötet worden seien. (dpa)

Krim-Beamter: Drohnenangriffe in Sewastopol abgewehrt

Die russische Marine hat nach Angaben eines von Moskau eingesetzten Beamten in der Bucht von Sewastopol Drohnenangriffe auf die russische Schwarzmeerflotte abgewehrt. Verschiedene Luftabwehrsysteme hätten „mehrere Stunden lang Drohnenangriffe abgewehrt“, erklärte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Stadt auf der annektierten Halbinsel Krim, Michail Raswoschajew, am Samstagmorgen im Onlinedienst Telegram. „Alle (…) unbemannten Luftfahrzeuge wurden abgeschossen“, fügte er hinzu. Es seien keine Einrichtungen in der Stadt getroffen worden, die Lage sei unter Kontrolle.

Am Donnerstag hatte Raswoschajew bereits einen Drohnenangriff auf das Balaklawa-Wärmekraftwerk auf der Halbinsel Krim gemeldet. Dabei habe es keine Opfer und nur „minimalen Schaden“ gegeben, erklärte der Gouverneur am Donnerstag auf Telegram.

Ende Juli waren bei einem Drohnenangriff auf den Generalstab der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol nach russischen Angaben fünf Menschen verletzt worden. Demnach landete eine Drohne im Innenhof des Flottenhauptquartiers. Russland beschuldigte damals die Ukraine, hinter dem Angriff zu stecken. Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück und nannte die Anschuldigungen eine „Provokation“. (afp)

Iran zu Gesprächen mit Ukraine über Drohneneinsätze bereit

Der Iran hat seine Bereitschaft erklärt, mit der Ukraine in bilateralen Treffen über Vorwürfe zum Einsatz von iranischen Drohnen durch Russland im Ukraine-Krieg zu sprechen. Das sagte Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian in einem Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba, wie es am Samstag auf der Internetseite des Außenministeriums in Teheran hieß. „Wir dementieren die Vorwürfe diesbezüglich und sind auch bereit, dies in bilateralen technischen Treffen mit Kiew zu besprechen und auszuräumen“, wird der iranische Chefdiplomat zitiert. Der Iran unterhält Amirabdollahian zufolge zwar gute Beziehungen zu Russland und auch eine langjährige militärische Zusammenarbeit. Teheran sei aber gegen den Krieg in der Ukraine und lehne eine direkte Teilnahme in dem Konflikt ab.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben vom Freitag seit Mitte September mehr als 300 russische Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Schahed-136 abgeschossen. Das sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat vor Journalisten in Kiew. Man gehe davon aus, dass Russland 2400 solcher Drohnen bestellt habe.

Die EU hatte Sanktionen gegen den Iran wegen der Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine beschlossen. Die iranische Führung hat bislang stets bestritten, Russland mit den Einwegdrohnen beliefert zu haben. Teheran befürwortet zwar auch ein Kriegsende, hat aber die russische Invasion in der Ukraine nie kritisiert – und diese gar als Gegenmaßnahme zur Nato-Osterweiterung als gerechtfertigt bezeichnet. (dpa)

Russland: USA senkt Schwelle für den Atomwaffeneinsatz

Russland wirft den USA vor, die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen zu senken. Russland könne die Pläne zur Modernisierung der in Europa stationierten Atomwaffen der USA nicht ignorieren, sagte der stellvertretende Außenminister Alexander Gruschko der staatlichen Nachrichtenagentur RIA am Samstag. „Die USA modernisieren sie, erhöhen ihre Zielgenauigkeit und reduzieren die Wirkung der Atomsprengsätze, sie machen sie zu Kriegswaffen und damit senken sie die Schwelle“, sagte Gruschko. Russland werde dies bei seinen militärischen Planungen berücksichtigen.

Das Magazin Politico hatte berichtet, dass die modernisierte Version der Bombe B61 – die B61-12 – bereits im Dezember in Europa eintreffen sollte und damit mehrere Monate früher als ursprünglich geplant. Dies hätten die USA bei einem Nato-Treffen bekanntgegeben. Die USA verfügen über rund 200 einsatzfähiger sogenannter taktischer Atomwaffen. Etwa die Hälfte davon ist in Italien, Deutschland, der Türkei, Belgien und den Niederlanden stationiert. Russland verfügt über rund 2000 dieser Waffen.

Russland hat seit der Invasion der Ukraine Ende Februar wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, zugleich aber auch vor einem Atomkrieg gewarnt. Zuletzt warf Russland der Ukraine vor, sie plane den Einsatz einer sogenannten schmutzigen Bombe. Sie hat einen konventionellen Sprengsatz, der bei seiner Explosion aber radioaktives Material in der Umgebung verbreitet. Die Ukraine weist den Vorwurf zurück. (rtr)

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