Das Wirken der Blockade-FDP: Partei der Vermieter

Immer wenn es um Mieterschutz geht, haben die Liberalen Bedenken, wittern zu viel Bürokratie oder spielen auf Zeit. Eine kleine Übersicht.

Katze spaziert über eine Heizung

Die CO2-Abgabe für Öl- oder Erdgasheizungen zahlen Mie­te­r*in­nen bislang alleine Foto: Jake Jakab/Addictive Stock/imago

Mietpreisbremse, Mietendeckel – wann immer es in der letzten Legislatur um Mieterschutz ging, witterte die FDP sozialistisches Teufelszeug. Eine Umfrage von 2016 kam zu dem Ergebnis, dass Wäh­le­r*in­nen von Union und FDP, aber auch SPD überdurchschnittlich oft Immobilien besitzen.

Aber auch da gab es Unterschiede: In der Wählerschaft der FDP gab ein großer Teil an, im Besitz von Mehrfamilienhäusern zu sein – die ja meist nicht selbst bewohnt, sondern vermietet werden. Union und FDP sind im Übrigen die Parteien, die am meisten Spenden aus der Immobilienbranche erhalten. Nun aber sind die Liberalen mit SPD und Grünen in der Regierung. Wie halten sie es da mit der Wohnungspolitik?

Blockade 1: Aufteilung des CO2-Preises bei den Heizkosten

Seit 2021 wird beim Heizen mit Öl oder Erdgas eine CO2-Abgabe erhoben. Bislang zahlen Mie­te­r*in­nen die Kosten dieser Klimaabgabe ganz allein. Dabei kann man sich in einer Mietwohnung meist nicht aussuchen, wie geheizt wird und ob Wände und Fenster gut oder schlecht gedämmt sind. Im April 2022 beschloss das Kabinett, die Kosten des CO2-Preises fairer zwischen Ver­mie­te­r*in­nen und Mie­te­r*in­nen aufzuteilen.

Ab 2023 sollte ein Stufenmodell gelten, das Ver­mie­te­r*in­nen an den Kosten beteiligt. Ist der energetische Zustand eines Mietshauses sehr schlecht, müssen Ver­mie­te­r:in­nen den Großteil übernehmen. Ist der Zustand sehr gut, tragen die Mie­te­r*in­nen die Kosten allein. Doch die FDP-Fraktion hat das geplante Gesetz vorerst gestoppt: Der wohnungspolitische Sprecher Daniel Föst will noch mal diskutieren, „ob in der aktuellen Ausnahmesituation Kleinst- und Kleinvermieter mit enormer Bürokratie belastet werden müssen.“ Die FDP stelle aber nicht das Gesetz an sich infrage, sondern nur den Zeitpunkt, ab wann es gelten solle.

„Das Gesetz wurde sehr konstruktiv verhandelt“, sagte Christina-Johanne Schröder, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, und wertete die FDP-Wende als Verzögerungstaktik. Auch ihr Kollege in der SPD-Fraktion, Bernhard Daldrup, hat kein Verständnis: „Die FDP muss sich jetzt entscheiden, ob sie in der Koalition gestalten oder verhindern will“, sagte er. Daldrup geht davon aus, dass es in der nächsten Sitzungswoche im November eine Einigung zum Stufenmodell geben wird. Falls nicht, ist für ihn und Schröder klar, dass die Kosten hälftig zwischen Ver­mie­te­r*in­nen und Mie­te­r*in­nen geteilt werden. So ist es auch im Koalitionsvertrag festgehalten.

Blockade 2: Senkung der Kappungsgrenze

Es ist kein Geheimnis: SPD und Grüne wollten Mieten stärker als bisher deckeln, aber mit der FDP war das nicht zu machen. Zumindest darauf konnte man sich im Koalitionsvertrag einigen: Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahr 2029 verlängert werden. Zudem soll die sogenannte Kappungsgrenze gesenkt werden. Bisher gilt: In Lagen, in denen der Wohnungsmarkt als angespannt gilt, dürfen Mieten maximal um 15 Prozent in drei Jahren steigen. Diese Grenze soll nun auf 11 Prozent gesenkt werden.

Bislang ist allerdings noch nichts passiert. Dabei ist es nicht das komplizierteste Vorhaben, eine Zahl im Gesetz zu ändern. Ein nicht uninteressantes Detail: Die Ampelregierung hat zwar ein neues SPD-geführtes Ministerium für Bauen und Wohnen, aber Mieterschutz ist im Bundesjustizministerium angesiedelt – und das ist FDP-geführt.

„Das Justizministerium lässt sich viel zu lange Zeit“, kritisiert SPD-Politiker Daldrup, „aber ich erwarte, dass es bis Ende des Jahres einen Gesetzentwurf geben wird.“ Das Justizministerium erklärt auf Nachfrage, man strebe an, „einen entsprechenden Gesetzentwurf noch in diesem Jahr vorzulegen.“ Das Haus arbeite mit Hochdruck an der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten mietrechtlichen Vorhaben“.

Blockade 3: Kommunales Vorkaufsrecht wiederherstellen

Im November 2021 kippte das Bundesverwaltungsgericht in weiten Teilen das kommunale Vorkaufsrecht, ein wichtiges Instrument zum Mieter*innenschutz. Wollten Investoren in Milieuschutzgebieten – Wohnvierteln also, die stark von Verdrängung betroffen sind – Häuser kaufen, konnten die Kommunen bis dahin diese Häuser entweder selbst kaufen oder Bedingungen für den Kauf stellen. Nach dem Urteil kann das Vorkaufsrecht nur noch sehr eingeschränkt angewandt werden, wenn ein Wohngebäude zum Beispiel leer steht oder droht zu verfallen. Das Gericht wies aber darauf hin, dass eine Änderung des Baugesetzbuchs möglich wäre.

Der Bundesrat, die Kommunen und Mieterinitiativen, SPD, Grüne und Linkspartei pochen seither darauf, das Vorkaufsrecht zu reformieren. Im April legte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ist nicht überzeugt. Die FDP sieht im Vorkaufsrecht tradi­tio­nell ein überteuertes Instrument und einen zu starken Eingriff in Eigentümerrechte.

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Die Gespräche in der Bundesregierung dazu halten weiter an, heißt es aus dem Justizministerium. Das Vorkaufsrecht könne je nach Ausgestaltung „zu Zielkonflikten mit den Anliegen des Klimaschutzes und der Förderung altersgerechten Wohnens führen; es kann die Bildung von Wohneigentum erschweren; und es kann dazu führen, dass der Allgemeinheit unverhältnismäßig hohe Kosten entstehen, um günstiges Wohnen für einige wenige Betroffenen zu sichern“, erklärte das Justizministerium. Auch die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Wohnungsausschusses Sandra Weeser erklärt, sie habe zum Vorkaufsrecht noch viele Fragen. Zum Beispiel will sie wissen, welche „wissenschaftlich erwiesenen Vorteile“ ein verschärftes Vorkaufsrecht bringen würde.

SPD-Mann Bernhard Daldrup ärgert das. Tatsächlich steht im Koalitionsvertrag nur, dass geprüft werden soll, ob sich aus dem Urteil „gesetzgeberischer Handlungsbedarf“ ergibt. „Wir waren uns aber einig, dass die jahrzehntelange Praxis des Vorkaufsrechts rechtssicher gemacht werden muss. Daran sollte sich die FDP halten“, sagt Daldrup. Zu dem Zeitpunkt habe die Urteilsbegründung des Gerichts noch nicht vorgelegen. Grünenpolitikerin Schröder klingt ernüchtert: „Ich glaube, die FDP-Kolleg*innen wollen das kommunale Vorkaufsrecht nicht wieder rechtssicher herstellen.“

Blockade 4: Wo ist das Kündigungsmoratorium in der Krise?

Was passiert eigentlich, wenn Mie­te­r*in­nen ihre Energiekosten nicht mehr bezahlen können? Werden Sie dann auf die Straße gesetzt? Im Jahr 2020 gab es wegen der Pandemie ein befristetes Kündigungsmoratorium. Covid-19-beding­te Mietschulden der Monate April bis Juni 2020 mussten bis spätestens 30. Juni 2022 zurückgezahlt werden. Auch Kleinvermieter*innen, die durch den Mietausfall Darlehen nicht bedienen konnten, erhielten die Möglichkeit zum Zahlungsaufschub. Eine solche Regelung gibt es in der Energiekrise bisher nicht. Im Papier zum dritten Entlastungspaket heißt es nur etwas vage, dass Mieter*innen, die durch erhöhte Betriebskosten kurzfristig finanziell überfordert sind, „durch die Regelungen des sozialen Mietrechts angemessen geschützt werden“.

Daldrup erklärt, Genaueres werde gegenwärtig noch verhandelt. Er und Schröder befürworten ähnliche Maßnahmen wie das Kündigungsmoratorium im Jahr 2020. FDP-Politikerin Sandra Weeser verweist hingegen lediglich auf die Ausweitung des Wohngelds. Dieses helfe zielgenau denjenigen, „die wirklich finanzielle Hilfe brauchen“.

Eigentlich hatten sich die Ampelparteien schon vor der Krise vorgenommen, sich mit Schonfristzahlungen zu beschäftigen, um drohende Wohnungslosigkeit besser bekämpfen zu können. Bisher ist es nur bei fristlosen Kündigungen so, dass eine Nachzahlung der Mietrückstände die Kündigung noch abwenden kann. Bei ordentlichen Kündigungen gilt das nicht.

Bereits Ende September dieses Jahres hatte sich ein breites Bündnis aus Sozialverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, zahlreichen Mietervereinen, Juristinnenverbänden sowie Trägern der Wohnungslosenhilfe in einem offenen Brief an den amtierenden Justizminister Marco Buschmann gewandt und ihn aufgefordert, das zu ändern. Auf Nachfrage erklärte das Justizministerium in Berlin, dass es derzeit im Begriff sei zu prüfen, „ob und gegebenenfalls welche gesetzlichen Regelungen zu Schonfristzahlungen notwendig sind.“

Fazit zum derzeitigen liberalen Mieterschutz: Im Zweifel setzt sich die FDP für die Ver­mie­te­r*in­nen ein.

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