Koalitionsstreit um die Friedrichstraße: Gezerre um ein paar Monate

Die Regierende Giffey (SPD) will schnell wieder Autos auf der Friedrichstraße sehen. Jetzt kommt es auf die grüne Verkehrssenatorin an.

Fahrradweg in der Mitte der Friedrichstraße

Könnte auch einfach autofrei bleiben: Die Friedrichstraße in Mitte Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Wer morgens mit dem Rad die Friedrichstraße entlangrollt, auf dem autofreien Abschnitt zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße, kann gerade zwei Dinge feststellen: Was es mal werden sollte, nämlich eine Fußgängerzone, ist es nicht geworden. Wohl aber ein Radweg, sicher, autofrei, und das ist ja schon mal etwas in Berlin.

Nun kommen nach etwas mehr als zwei Jahren wohl doch noch die Autos zurück – wenn die Verkehrsverwaltung nicht Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz einlegt. Zwei Wochen hat das Verwaltungsgericht am Dienstag per Eilentscheid der Verwaltung eingeräumt, die gelben, immer noch provisorischen Klebebänder für den Radweg wieder vom Asphalt zu kratzen. Es liege keine rechtliche Grundlage vor, Au­to­fah­re­r*in­nen die Nutzung dieses Straßenabschnitts zu verwehren, hieß es in der Begründung des Urteils.

Das Urteil mag juristisch keine Überraschung sein, weil das Gericht in ähnlichen Fällen die Straßenverkehrsordnung ebenfalls streng ausgelegt hat – etwa bei den Pop-up-Radwegen. Wo keine akute Gefahrenlage, da auch keine Sperrung von öffentlichem Straßenland für wen auch immer.

Umso mehr kommt es jetzt darauf an, wie die Politik mit dieser restriktiven Rechtsprechung umgeht. Denn sie hat ja durchaus Möglichkeiten, die Friedrichstraße als autofreie Zone zu erhalten – zunächst mit dem Gang vors Oberverwaltungsgericht, das aufschiebende Wirkung hat. Diese Verzögerungstaktik gilt es jetzt zu nutzen. Denn die gelben Klebebänder für die Radstreifen blieben damit erstmal, wo sie derzeit sind.

Es wäre autofreie Zeit gewonnen für das, was schon in wenigen Monaten ohnehin passieren soll: die dauerhafte Umwidmung der Friedrichstraße zur Fußgängerzone. Denn da läuft beim Bezirk Mitte gerade noch ein Prüfverfahren, die Friedrichstraße auf dem gut 500 Meter langen Abschnitt dauerhaft für Fußgänger umzuwidmen (Radfahren wäre erlaubt). Man arbeitet dort gerade an einer juristisch wasserfesten Argumentation – und könnte, so heißt es aus dem Bezirksamt, schon im Januar damit fertig sein.

Nun hat allerdings die Regierende Franziska Giffey (SPD), die noch nie eine Fürsprecherin des Verkehrsversuchs auf der Friedrichstraße war, bereits gesagt: Das Urteil des Verwaltungsgerichts gilt. Und übrigens sei sie auch von dem ganzen Fußgängerzonen-Verfahren noch gar nicht überzeugt. Ob Jarasch das stehen lässt? Im RBB betonte die Verkehrssenatorin am Dienstagabend bereits mit Blick auf das Verfahren beim Bezirk, dass die langfristige Umgestaltung ja so oder so erstmal weiterlaufe, unabhängig vom Eilentscheid.

Ein paar läppische Monate

Bestenfalls geht es also bloß um ein paar läppische Monate, in denen die Au­to­fah­re­r*in­nen sich wieder durch die Friedrichstraße drängeln dürfen – wenn die Verkehrsverwaltung nicht doch vor das Oberverwaltungsgericht zieht.

Doch genau das sollte sie nun tun. Die Grünen, allen voran ihre Verkehrssenatorin, haben mehr zu verlieren als einen temporären Radweg. Es geht längst wieder um eine Abgeordnetenhauswahl, die wohl anstehen wird im Februar. Giffey darf sie nicht verlieren, könnte es aber, laut der rutschenden Umfrageergebnisse für die SPD. Die Grünen hingegen könnten sie gewinnen – Jaraschs zweite Chance. Und gerade deshalb sollte sie die Friedrichstraße nicht der SPD überlassen. Der Wahlkampf ist damit auf der Straße angekommen.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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