Diplomatie im Ukraine-Krieg: Israel in politischer Zwickmühle

Wegen iranischer Drohnenangriffe fordern Beobachter Waffenlieferungen durch Israel. Dort ist man skeptisch, auch wegen der Abhängigkeit von Russland.

Drohne vor blauem Himmel

Drohne vor dem Abschuss über Kiew Foto: Efrem Lukatsky/ap

TEL AVIV taz | „Wir sind natürlich der Meinung, dass die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran nicht nur für Israel, sondern auch für die Ukraine, Europa und die ganze Welt ein ernstes Problem darstellen“, sagte der israelische Ministerpräsident Yair Lapid am vergangenen Donnerstag gegenüber dem unabhängigen russischsprachigen Sender RTVi.

Seitdem sich vergangene Woche die Hinweise häuften, dass Israels Erzfeind Iran aktiv aufseiten Russlands am Krieg beteiligt ist, entbrennt die Debatte in Israel über Waffenlieferungen erneut. Iran soll Russland mit sogenannten Killerdrohnen versorgen und ballistische Raketen schicken.

Israel könnte mit seinen hochentwickelten Abwehrsystemen der Ukraine wichtige Hilfe leisten. Doch Lieferungen von Abwehrsystemen schiebt Verteidigungsminister Benny Gantz nach wie vor einen Riegel vor und verärgert damit Kiew. Stattdessen stellte er den Ukrai­ne­r*in­nen ein Frühwarnsystem in Aussicht: „Israels Politik besteht darin, die Ukraine mit humanitärer Hilfe zu unterstützen – und mit der Lieferung lebensrettender, defensiver Ausrüstung“, sagte Gantz am vergangenen Mittwoch gegenüber Abgesandten der EU. Humanitäre Hilfe ja, Waffen nein, lautet seit Kriegsbeginn zwischen Russland und der Ukraine vor acht Monaten das Credo Israels.

Israel findet sich seit der russischen Invasion in der Ukraine in einer Zwickmühle wieder. Einerseits positioniert sich Israel auf der Seite der Ukraine und verurteilt die Invasion. Gleichzeitig ist Jerusalem darauf bedacht, die Beziehungen zu Moskau nicht zu beschädigen. Dabei geht es nicht nur um die große Popularität, die Putin unter vielen Israelis genießt, sondern auch um sicherheitspolitische Erwägungen vor der Haustür. Denn Russland kontrolliert den Luftraum über Syrien und erlaubt dort der israelischen Luftwaffe, Angriffe gegen die von dem Iran aufgebaute Hisbollah durchzuführen.

Vorbehalte gegen Waffenlieferungen

Stimmen, die sich für ein stärkeres Auftreten aufseiten der Ukraine aussprechen, mehren sich jedoch. „Es gibt keinen Zweifel mehr, wo Israel in diesem blutigen Konflikt stehen sollte“, twitterte Diaspora-Minister Nachman Shai vor einer Woche und stellte damit die Position der Regierung infrage: „Es ist an der Zeit, dass auch die Ukraine militärische Hilfe erhält, so wie es die USA und die Nato-Länder tun.“ Auch der Militärexperte Amos Yadlin spricht sich dafür aus, dass Israel sich mehr für die Ukraine einsetzt und sich so auch eindeutig aufseiten der Nato und der USA gegen den Iran positioniert.

Yadlin wie auch andere Militärexperten äußern jedoch Vorbehalte, den Abwehrschirm Iron Dome zu liefern, wie der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski gefordert hatte. Israel habe selber keine ausreichende Anzahl. Hinzu komme, dass die Bedienung des Systems geheim sei und somit israelische Sol­da­t*in­nen vor Ort sein müssten. Außerdem besteht die Sorge, dass das System in die Hände Russlands oder des Iran gelange.

Allerdings, betont Yadlin, würden einfachere Flugabwehrsysteme gegen die langsam und tief fliegenden iranischen Drohnen greifen. Diese könnte Israel in Yadlins Augen liefern.

Am 1. November wird in Israel ein neues Parlament gewählt. Eine grundlegende Änderung des israelischen Kurses vor diesem Datum ist unwahrscheinlich. Die beiden Opponenten Benjamin Netanjahu und Yair Lapid haben beide angekündigt, die Frage im Falle eines Wahlsieges erneut zu überprüfen.

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