Klagen gegen Infrastrukturprojekte: Übers Ziel hinausgeschossen

Die Bundesregierung will die Energie- und Verkehrswende vorantreiben. Darunter könnten Klagen im Eilverfahren leiden, kritisieren mehrere Verbände.

Neue Windräder werden auf einer Wiese aufgestellt

„Es gibt kaum Windenergievorhaben, die nicht beklagt werden.“ Foto: Janine Schmitz/photothek/imago

FREIBURG taz | Umweltverbände äußern massive Kritik an einem Gesetzentwurf von Justizminister Marco Buschmann (FDP). Die geplante Beschleunigung der Prozesse gegen Infrastrukturvorhaben führe zum „faktischen Ende des Eilrechtsschutzes“, kritisiert etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in seiner Stellungnahme.

Die Bundesregierung will insbesondere Projekte der Energie- und Verkehrswende, also etwa den Bau von Windrädern, Strom- und Bahntrassen, vorantreiben. „Unser Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren“, heißt es im Koalitionsvertrag. Auch die Gerichtsverfahren sollen einen Beitrag leisten. Minister Buschmann hat daher im August den „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ vorgelegt.

Inzwischen ist die Verbände-Anhörung zu Ende und es zeigt sich, dass vor allem Umweltverbände das Gesetz ablehnen. Es beschränke sich eben nicht auf Vorhaben der Verkehrs- und Energiewende, sondern gelte auch für Prozesse gegen Müllverbrennungsanlagen, Autobahnen und Flughäfen.

Im Mittelpunkt der Kritik steht ein neuer Paragraf 80c der Verwaltungsgerichtsordnung, der die Möglichkeiten, ein Vorhaben im Eilverfahren zu stoppen, stark einschränken soll. „Das Gericht kann einen Mangel des angefochtenen Verwaltungsaktes außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird“, so die geplante Formulierung. „Heilbare“ Verfahrens- und Abwägungsfehler, sollen in der Regel nicht mehr zu einem gerichtlichen Baustopp führen. Wenn etwa eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterlassen wurde, soll diese in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden.

Nur bei schweren Fehlern noch Stopp im Eilverfahren

Nur wenn die Fehler so schwer sind, dass sie die Planung als Ganzes in Frage stellen, soll eine Klage im Eilverfahren noch zum vorläufigen Stopp des Projekts führen. Doch das seien „extrem seltene“ Fälle, betont Rechtsanwältin Franziska Heß, die die Stellungnahme des BUND geschrieben hat.

Der BUND sieht nicht nur die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes verletzt, sondern erkennt auch Verstöße gegen die völkerrechtliche Aarhus-Konvention und EU-Recht. Es sei „praktisch ausgeschlossen“, dass Buschmanns Vorschlag vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird. Auch die Deutsche Umwelthilfe und der Deutsche Naturschutzring halten die geplante Einschränkung des Eilrechtsschutzes für verfassungs-, völkerrechts- und EU-rechtswidrig.

Dagegen geht die Einschränkung der Deutschen Bahn nicht weit genug. Um eine „maximale Beschleunigung“ zu erreichen, sollen die Gerichte verpflichtet werden, Paragraf 80c zwingend anzuwenden. Aus der geplanten „Kann“-Regel soll eine „Muss“-Regel werden, heißt es in einer von der Bahn unterstützten Stellungnahme des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen.

Windkraftbranche fürchtet langwierige Prozesse

Der BUND begrüßt zwar die angekündigte Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben. Für Verzögerungen seien aber weniger die Gerichtsprozesse verantwortlich, sondern vor allem die vorherige Planungsphase, die durch Personalmangel in den Behörden und fehlende Digitalisierung der Verfahren geprägt sei.

Das sieht jedoch der Bundesverband Windenergie (BWE) anders. „Zentrales Problem beim Ausbau der Windenergie an Land sind die in der Regel extrem langen Gerichtsverfahren von Klagen gegen erteilte Genehmigungen für Windenergieanlagen“, heißt es in der BWE-Stellungnahme. „Es gibt kaum Windenergievorhaben, die nicht beklagt werden.“

In Kürze wird sich das Bundeskabinett mit Buschmanns Gesetzentwurf befassen. Das Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) nimmt die Kritik der Umweltverbände ernst und fordert Änderungen.

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