Reaktion auf Gewalt gegen Protestierende: Weiter Streit um Iran-Politik

Die Bundesregierung drängt auf neue Sanktionen gegen den Iran. Opposition und Abgeordnete der Ampelparteien kritisieren das als zu zögerlich.

Eine Frau verbrennt ihr Kopftuch bei einer Demonstration.

Brennendes Kopftuch: Bei Protesten von Re­gime­geg­ne­r:in­nen in Teheran am 20. Oktober

BERLIN taz | Die Proteste gegen das Mullah-Regime in den Städten und Provinzen Irans halten nach wie vor an. Und Teheran geht weiter brutal gegen die Demonstrierenden vor. Wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt, werden die Beziehungen zum Iran derzeit einer genauen Prüfung unterzogen und angepasst.

Auch weitere Maßnahmen gegen das Regime sind geplant. Dazu zählt, dass bereits am Montag im EU-Außenrat ein weiteres Sanktionspaket verabschiedet werden soll. Im Kern geht es dabei darum, weitere Verantwortliche für die staatliche Gewalt und Repression in Iran zu sanktionieren. Auf EU-Ebene besteht dazu ein weitreichender Konsens. Auch mit den USA, Kanada und Großbritannien laufen derzeit Absprachen zu Sanktionen.

Strittigstes Thema ist nach wie vor, ob die Revolutionsgarden auf der Terrorsanktionsliste gelistet werden können. Ein europäischer oder auch internationaler Konsens scheint sich derzeit aber nicht abzuzeichnen.

Die Regierung will zudem die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen in Iran vorantreiben. In rund zwei Wochen will der UN-Menschenrechtsrat dafür zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Ziel ist die Abstimmung einer Resolution, die es erlauben würde, eine Art Untersuchungskommission aufzulegen, die solche Menschenrechtsverletzungen nicht nur sammelt, sondern auch aufarbeitet. Indes ist unklar, ob eine Mehrheit für einen solchen Mechanismus zustande kommt – und ob eine solche Kommission ins Land gelassen würde.

SPD räumt auch Fehler ein

Im Bundestag beschloss die Ampel am Mittwochabend, den Druck auf das Regime in Teheran zu erhöhen und die Protestbewegung zu unterstützen. Angesichts von über 14.000 Festgenommenen drängten die Opposition und die FDP auf ein schnelleres Handeln der Regierung. Zudem wurde das Festhalten an einem Atomabkommen in Frage gestellt.

Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte die deutsche Iran-Politik. „Wir lassen nicht nach“, beteuerte die Grüne. Man wolle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Unterschiede in der Rechtslage würden einem schnellem Vorgehen, wie das der USA und Kanadas im Wege stehen.

Nils Schmid (SPD) räumte indes auch Fehleinschätzungen ein. Mit dem Ampelantrag forciere man nun aber weitere Sanktionen. Auch soll damit ­geprüft werden, ob und wie eine Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg möglich ist. Der Verein wird derzeit durch einen Staatsvertrag ­zwischen Hamburg und der Schura gefördert, obwohl er vom Hamburger Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird.

Norbert Röttgen (CDU) kritisierte, dass 10.000 Angehörige der iranischen Revolutionsgarde von Kanada bereits sanktioniert seien, während es in Deutschland lediglich 11 Personen und vier Organisationen sind. Das deutsche Handeln werde dem Ausmaß der Ereignisse nicht gerecht. Es handle sich nicht mehr um Proteste, sondern um eine Revolution.

Röttgen beklagt „Minisanktionen“

Röttgen forderte Kanzler Scholz auf, sich in einer öffentlichen Rede an die Menschen im Iran zu wenden. Bisher gebe es nur „Minisanktionen“ und ein „obligatorisches Mindestmaß an Druck“. Auch eine Prüfung zum Islamischen Zentrum sei nicht notwendig, da es lange genug durch den ­Verfassungsschutz beobachtet würde.

Renata Alt (FDP) ging der vorliegende Antrag ebenfalls nicht weit genug. Sie fordert entschlosseneres Handeln und weitere Sanktionen, die Regierung handele zu zögerlich. Hämische Zwischenrufe bekam sie von der Union, als sie beklagte, dass sich schon wieder eine Frau für ihr Vorgehen rechtfertigen muss.

Während man sich einig war, dass Iran keine Atomsprengkörper erlangen darf, wurden die Verhandlungen zu einem Abkommen von der CDU/CSU kritisiert. Es sei ein Spiel auf Zeit und die Einbestellung des iranischen Botschafters zu wenig, um das iranische Regime unter Druck zu setzen. Auf ein Abkommen könne man derzeit nicht warten. Schmid hielt dem entgegen, dass man ohne Abkommen in eine Pattsituation wie in Nordkorea geraten könnte.

Die Linke forderte schließlich in einem eigenen Antrag, Verfolgte aufzunehmen und Abschiebungen nach Iran zu stoppen. Der Antrag wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

Zu einem möglichen Verbot des Islamischen Zentrums in Hamburg erklärte die dortige Innenbehörde, dies sei Aufgabe des Bundesinnenministeriums. Dieses ließ eine Anfrage zu dem Fall vorerst unbeantwortet.

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