Der etwas andere Generationenkonflikt: Ich bin Legende

Manchmal stellt man fest, man selbst steht auf der anderen Seite. Keine schöne Erfahrung, schreibt unser Autor.

Eine Person sitzt mit ihrem Handy auf einer Bank

Die Millenials sind so viel mehr als nur Digital Natives Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

Man muss ein bisschen vage bleiben, um diese Metapher ohne Spoiler zu bringen, aber einen Versuch ist es wert: Es gibt jedenfalls so Horrorfilme, in denen der oder die knapp überlebende Prot­ago­nis­t:in kurz vor Schluss merkt, in Wirklichkeit zu „den anderen“ zu gehören – oder schlimmer, selbst der oder die Böse zu sein. Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­r:in­nen haben wahrscheinlich ein schönes Wort dafür, aber für normale Menschen reicht es wohl, kurz an einen x-beliebigen Film von M. Night Shya­ma­lan zu denken oder an Richard Mathesons „I Am Legend“, einen der drei Romane also, die man nun wirklich gelesen haben sollte.

Egal. Mir ist jedenfalls neulich in einem thrillermäßigen Schockmoment klar geworden, dass ich ja einer dieser Millennials bin, von denen immer alle reden. Eigentlich wollte ich nur eben gucken, ob es nicht doch möglich ist, den allerdümmsten Artikel über „Generation Y am Arbeitsplatz“ zu finden. Und stolperte in einem Erklärbär-Nebensatz plötzlich über das hier: „also die ab 1981 Geborenen“.

Bis dahin war ich mit Herz und Kopf noch Generation X, hatte ja auch an die „großen Erzählungen“ geglaubt, die richtige Musik gehört und war gegen verschiedene Sachen sogar auch politisch engagiert gewesen. Gegen Faschismus und das Vierte Reich zum Beispiel, aber auch gegen kleinere Übel wie den Atomtod oder die Scheißfressen von der Jungen Union auf dem Land. Und jetzt das: ­Millennial by birth 1982.

Dabei hatten sich spätestens seit meinem Umzug raus aufs Land Hinweise verdichtet – wie eben in diesen Horrorgeschichten –, die ich aber einfach nicht hatte sehen wollen. Allein schon diese Fastfoodfresserei aufzugeben und Sport zu machen kommt mir bei Licht betrachtet sehr millennialistisch vor. Wertkonservativer bin ich auch geworden und sogar grundsätzlich bereit, mich konstruktiv an Dis­kus­sio­nen über die Mobilitätswende zu beteiligen. Das aber eben auf Millennialart und nicht so radikal wie die ganz Kleinen. Ich würde zum Beispiel niemals (nie!) einen Urlaubsflieger voller Tou­ris­t:in­nen in die Luft sprengen oder Kartoffelbrei auf Bilderrahmen werfen. Das finde ich falsch.

Ich bin ja auch nicht frei von Schuld. Immerhin ist es ganz ohne Auto wirklich schwer auf dem Land. Und sogar ich habe in meinem Leben schon Flugreisen unternommen. Zwei sogar: 1988 zwischen Bremen und Berlin, weil mich die Kontrollen im Auto an der DDR-Grenze als Kind wohl irgendwie belastet haben – und dann noch mal vor ein paar Jahren nach Prag, weil’s mir geschenkt wurde. Ich bin also nicht frei von Schuld und gönne das Rumgejette auch allen, die’s für ihre Bullshitjobs brauchen, ihre Urlaube und Geschäfte.

Und genau das hätte mich eben misstrauisch machen müssen: diese zahnlose Arroganz, alles besser zu wissen und dann doch nichts dagegen zu tun. Das ist Millennialstyle. Der eigentliche Höhepunkt dieser Geschichte liegt schon ein paar Monate zurück, als ich in Hamburg ein Gespräch über das Fliegen mit­an­hö­ren musste. „Wir sollten ja nicht mehr fliegen“, hatte sich da eine Holzperlenkettendame echauffiert, „aber wir müssen uns doch kennenlernen – uns begreifen.“ Und da dachte ich ganz kurz voller echtem Hass: Ja, lasst bloß den Luftraum frei für Brigitte aus Altona, damit sie die Welt kennenlernt. Und was begreift. Die hätte ich gerne mit Dosensuppe beworfen und habe es dann eben doch nicht getan. Ich war zu feige, zu alt, zu wertkonservativ, zu angepasst: wie wir Millennials eben so sind.

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Jahrgang 1982, schreibt aus dem Bremer Hinterland über Kultur und Gesellschaft mit Schwerpunkten auf Theater, Pop & schlechter Laune.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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