Klimaprotest in Berlin: Bei Lindner besetzt

Ak­ti­vis­t:in­nen haben sich Zutritt zum Finanzministerium verschafft. Sie fordern den Schuldenschnitt für arme Länder, die unter der Klimakrise leiden.

Ein Plakat vor dem Finanzministerium zeigt Christian Linder mit einem jungen Mann und dem Hinweis: Tag der offenen Tür

Tag der offenen Tür im Finanzministerium: Das haben die AktivistInnen wörtlich genommen Foto: Christophe Gateau/picture alliance

BERLIN taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bekam am Montagmittag unerbetenen Besuch: Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen protestierten vor seinem Ministerium in Berlin und drangen teilweise in das Gebäude ein. Unter anderem veröffentlichten die Gruppen „Extinction Rebellion“ und „Letzte Generation“ Fotos und Videos der Aktion auf Twitter.

Sie kritisieren Lindners Schuldenpolitik gegenüber dem globalen Süden, der stark unter der Klimakrise leidet. Die Zerstörung, die extremes Wetter hinterlässt, treibt arme Staaten oft weiter in die Schuldenspirale. Die Ak­ti­vis­t:in­nen fordern deshalb einen Schuldenschnitt. Sie argumentieren auch damit, dass Industriestaaten wie Deutschland die Klimakrise hauptsächlich verursacht haben und somit ökologische Schulden bei den armen Ländern hätten.

Die Polizei bestätigte die Besetzung des Finanzministeriums gegenüber der taz. Demnach seien mehrere Dutzend Personen im Eingangsbereich, im zweiten und im vierten Stock festgestellt worden, sagte eine Sprecherin. Teils hätten sich die Ak­ti­vis­t:in­nen festgeklebt. Um kurz vor 15 Uhr sei die Räumung abgeschlossen gewesen, es werde diverse juristische Verfahren geben, so die Sprecherin.

Lindner reagierte auf Twitter auf den Protest. „In Washington haben wir uns zur Verschuldung mit afrikanischen Staaten getroffen. Da bleiben wir dran“, schrieb er in dem sozialen Netzwerk. „Die Aktion hätte ich also nicht gebraucht, den Dienst hat sie aber nicht gestört.“

Warnung vor Klima-Schuldenkrise

Unabhängig von der Berliner Protestaktion haben internationale Klimaschutz-Organisationen am Montag vorgerechnet, welche finanzielle Last durch die Klimakrise auf arme Länder zukommt. Afrikanische Länder südlich der Sahara müssen aufgrund des Klimawandels innerhalb der nächsten zehn Jahre voraussichtlich mehr als eine Billion Euro an Schulden aufnehmen, teilten das Climate Action Network und das Internationale Aktionsnetzwerk für Schuldengerechtigkeit mit.

Die Summe entspreche einer 50-prozentigen Erhöhung des aktuellen Schuldenstands. Auch Sindra Sharma vom Climate Action Network findet, dass dem globalen Süden durch die Klimakrise ein Schuldenschnitt zusteht. Aber auch darüber hinaus fordert sie mehr Geld von den reichen für die armen Länder. Versprochen haben die fraglichen Regierungen seit 2020 jährliche 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen – vollständig geliefert haben sie die Summe bisher nicht.

„Die Weigerung der entwickelten Länder, ihren fairen Anteil am Klimaschutz zu zahlen, steht in direktem Zusammenhang mit der Schuldenkrise, die sich im globalen Süden entwickelt und noch im kolonialen Erbe verwurzelt ist“, sagte Sharma. Es sei zudem „eine weitere Ungerechtigkeit“, dass es bislang keine internationalen Gelder für den Umgang mit unvermeidbaren Schäden gebe.

Dass die Industrieländer in dieser Hinsicht besonders zurückhaltend sind, hat juristische Gründe. Sie befürchten, dass die Zahlung von Schadensersatz als Schuldeingeständnis gewertet werden könnte – und arme Länder sich so immer mehr Geld einklagen könnten. Nur langsam kommt Bewegung in die Debatte. Dänemark hatte kürzlich als erster UN-Staat angekündigt, Geld für klimawandelbedingte Schäden zur Verfügung zu stellen.

Auch in Kopenhagen kennt man allerdings die Sorge vor weiteren Haftungsansprüchen. Entwicklungsminister Flemming Møller Mortensen wollte deshalb bei seiner Ankündigung das Wort Schadensersatz nicht selbst in den Mund nehmen. „Ich rede nicht über Schadensersatz oder juristische Verantwortlichkeit“, sagte der Sozialdemokrat. „Ich rede davon, die richtigen Mittel zu finden, um den verletzlichsten Menschen zu helfen, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden.“

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