Krieg in der Ukraine: Nicht blauäugig sein

Russland scheint sich angesichts fehlender Erfolge auf einen längeren Krieg einzustellen. Für Putin sind Verhandlungen derzeit keine Option.

Ein gemusterter Teppich wird von einem Sodlaten aufgedeckt, darunter versteckte Munition

Ein ukrainischer Soldat hebt einen Teppich an, darunter versteckte russische Munition

Es handelt sich wieder nur um eine Nebelkerze, die, gerade geworfen, schon wieder erloschen ist. Noch am Mittwochabend dürften diejenigen Aufmerksamkeit erzeugt haben, die diplomatischen Bemühungen zwischen Moskau und Kiew das Wort reden. Wobei stets nebulös bleibt, wer mit wem und worüber genau reden soll.

Doch derartige Überlegungen traten in den Hintergrund angesichts der optimistischen Nachrichten, die der Präsident von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embaló, in seiner Eigenschaft als Pendeldiplomat zwischen Russland und der Ukraine angeblich im Gepäck hatte. Russlands Präsident Wladimir Putin sei zu Verhandlungen bereit, er wolle Brücken bauen und sei an einem Dialog interessiert. Da schau her! Dieses Ansinnen mutet bizarr an, solange in der Ukraine Kraftwerke, Stromnetze, Wohnhäuser und Brücken in Schutt und Asche gebombt werden.

Aber jetzt ist ja wieder alles ins rechte Licht gerückt. Moskaus Position habe sich nicht geändert, heißt es aus dem Kreml. Das könnte darauf hindeuten, dass dieser Krieg noch länger dauern könnte – zumal sichtbare militärische Erfolge, die den Rus­s*in­nen auch als solche verkauft werden könnten, sich nicht einstellen wollen.

Genau da liegt, zumindest für Wladimir Putin, ein weiteres Problem. Die Reihen der russischen Armee lichten sich. Zigtausende russische Männer im wehrfähigen Alter haben sich der „Teilmobilisierung“ bereits durch Flucht entzogen; im Kampf gänzlich unerprobte Soldaten kommen schon nach wenigen Tagen in Särgen zurück. Jetzt sind Kreml-Emissäre nicht nur in zentralasiatischen Ländern wie Turkmenistan auf Rekrutierungstour, sondern auch in Afghanistan – unter Kämpfern der einstigen afghanischen Nationalarmee.

Ob diese Versuche einer personelle Aufstockung fruchten und etwas am Kriegsverlauf ändern? Das ist derzeit genauso wenig absehbar wie tatsächliche Offerten des Kreml, sich an den Verhandlungstisch setzen zu wollen. So oder so: Blauäugigkeit und Naivität sind in jedem Fall fehl am Platz. Der bisherige Kriegsverlauf beweist das.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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