Berliner Wahlchaos und Sabotage der Volks-Ini: Genug Schaden angerichtet

Erst hat Senator Geisel das Enteignungs-Volksbegehren verschleppt, jetzt verantwortet er auch noch das Wahldebakel. Er sollte die Konsequenz ziehen.

Andreas Geisel VOlksbegehren Deutsche Wohnen und Co enteignen Sabotage

441 Tage hielt der damalige SPD-Innensenator das Volksbegehren in Geiselhaft Foto: Jens Kalaene/dpa

Andreas Geisel ist nicht mehr tragbar. Der SPD-Politiker ist als ehemaliger Innensenator nicht nur politisch verantwortlich für das Wahldebakel von Berlin, sondern sabotierte auch als amtierender Bausenator bis zuletzt das direktdemokratische und erfolgreiche Volksbegehren Deutschen Wohnen und Co. Enteignen.

Dass Geisel in der vergangenen Legislatur die rechtliche Prüfung des Volksbegehrens auf ganze 441 Tage ausdehnte, geschah offenbar mit voller Absicht – wie schon lange von Aktiven des Volksbegehrens vermutet wurde. Das haben diese Woche via dem Transparenzportal Fragdenstaat.de veröffentlichte interne Mails und Vermerke aus der Innenverwaltung unter Geisel erneut nahe gelegt.

In denen heißt es, nachdem die Volksinitiative die Verwaltung wegen der Verschleppung verklagte, beziehungsweise mit einer Klage drohte: „Die bisherige Dauer der Zulässigkeitsprüfung dürfte vom Verfassungsgerichtshof mit dem von ihm ausdrücklich ausgesprochenen Gebot der unverzüglichen und beschleunigten Bearbeitung als eher nicht zu vereinbaren angesehen werden.“

Sollte die Klage zugelassen werden, wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet, argumentiert ein Mitarbeiter der Verwaltung. In einer Mail wird er noch deutlicher: „Sollte die Klage zulässig sein, hätten wir keine Chance“, heißt es dort. Auch Geisels Staatssekretär Torsten Akmann war informiert. Weiter verschleppt wurde dennoch: Es dauerte noch vier weitere Monate, bis das Volksbegehren für zulässig erklärt wurde.

„Wissentlich rechtswidrig“

Die Initiative wertete die lange Prüfung des Volksbegehrens unter diesem Licht als „wissentlich rechtswidriges“ Verwaltungshandeln, während Geisels Sprecher das tat, was er dieser Tage immer tut – die Verantwortung dafür abweisen.

Wenn wir schon mal dabei sind: Wie wäre es denn, wenn Geisel tatsächlich mal seine Verantwortung abgibt, wenn er für nichts verantwortlich sein will?

Wohlwollend könnte man die ignorierten Alarmzeichen beim Debakel der Abgeordnetenhaus- und Bundestagswahl eventuell noch mit Blauäugigkeit und Bräsigkeit erklären. Und sicher haben auch die Landeswahlleitung sowie die Fehlplanung des gleichzeitig stattfindenden Marathons erheblichen Anteil am Wahldebakel – auch wenn Geisel seit 2017 Missstände in der Wahlorganisation bekannt waren.

Aber die bewusste Sabotage eines direktdemokratischen und rechtlich zulässigen Anliegens ist ein bewusstes Untergraben der Demokratie und sollte für einen Volksvertreter den Rücktritt nach sich ziehen – zumal später deutlich über die Hälfte der Ber­li­ne­r*in­nen für eine gemeinwohlorientierte Vergesellschaftung großer privater Wohnkonzernte stimmten.

Aus Sicht der Mie­te­r*in­nen und der Volksinitiative für Vergesellschaftung ist der vom Geisel angerichtete Schaden so oder so maximal: Erst verzögerte er als Innensenator die rechtliche Prüfung bis zur Schmerzgrenze, im jetzigen Senat bekämpfte er zusammen mit Franziska Giffey als Bausenator weiter die Umsetzung des erfolgreichen Volksbegehrens: Die Enteignungs-Kommission agiert entgegen der Koalitionsvereinbarungen deutlich intransparent.

Und nun ist Geisel auch noch verantwortlich dafür, dass diese ohnehin schon fragwürdige Kommissionsarbeit womöglich nicht zum Ende kommt, weil vorher ein neuer Senat gewählt werden muss. Was das für die Umsetzung des Volksbegehrens heißt, ist derzeit noch maximal ungewiss. Eines scheint jedenfalls klar: Geisel hat genug Schaden angerichtet und sollte gehen.

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