Der Ausweg aus der China-Falle

Die Rohstoffabhängigkeit der Industrie von China ist zu groß. Nur in der Analyse sind sich Wirtschaft und Wirtschaftsminister einig

Lithiummine in der Atacama-Wüste in Chile. Der Abbau von Lithium für Batterien, etwa für Elektroautos, Speicher oder Rasenmäher, gefährdet lokale Wasserkreisläufe und die Lebensweise der Bevölkerung vor Ort. Foto: John Moore/Getty Images

Von Heike Holdinghausen

Fracking in Deutschland wird sich laut Robert Habeck auch in Zukunft nicht lohnen: „Jetzt gerade wäre es super, eigenes Gas zu haben, aber perspektivisch wird grüner Wasserstoff Fracking schlagen“, sagte der grüne Bundeswirtschaftsminister auf dem Rohstoffkongress des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI). Damit lehnte er die Forderung des BDI-Präsidenten Siegfried Russwurm ab, angesichts der Gaskrise wieder in die heimische Erdgasförderung aus tiefen Gesteinsschichten einzusteigen.

Die Fracking-Kontroverse ist beispielhaft: In der Analyse der derzeitigen multiplen Krisen waren sich Habeck und Russwurm einig: Die Abhängigkeit von China gerade bei für die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Gesellschaft nötigen Rohstoffe sei drängender als die Energieabhängigkeit von Russland. In den konkreten Antworten blieb es bei Überschriften.

Beispiel Zugang zu Rohstoffen im Ausland: Russwurm warnt davor, den Zugang zu Rohstoffen im Ausland durch Sorgfaltspflichten wie etwa im Lieferkettengesetz zu erschweren. Habeck hingegen setzt darauf, dass die europäischen Unternehmen in den rohstoffreichen Ländern des Südens partnerschaftlich auftreten und dadurch Wettbewerbsvorteile haben. Beispiel Kreislaufwirtschaft: Russwurm lehnt ein „Recht auf Reparatur“ als dogmatisch ab, Habeck erachtet es als notwendig, weil der Markt alleine keine reparierbaren Elektrogeräte schaffe. Es komme darauf an, Verschwendung zu beenden, Ökodesign durchzusetzen und bereits vorhandene Rohstoffe im Kreislauf vor Ort zu halten.

Dabei müssten Politik und Unternehmen zunächst „gegen die ökonomische Laufrichtung arbeiten“, sagte Habeck. Die Unternehmen seien aus wirtschaftlichen Gründen nach China gegangen. Nun etwa auf heimisches Lithium aus dem Erzgebirge oder auf Recyclingmaterial zu setzen, sei nicht unbedingt wettbewerbsfähig. Wie das ausgeglichen werden könnte, darüber gelte es jetzt zu diskutieren.

Gegenwärtig aktualisiert das BMWK die bestehende Rohstoffstrategie der Bundesregierung und stellt dabei die Sicherung des Rohstoffbedarfs ins Zentrum. Der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft allerdings liegt im Aufgabenbereich des ebenfalls grün geführten Umweltministeriums. Dessen To-do-Liste im Koalitionsvertrag ist lang, steht bislang allerdings nur auf dem Papier. Die große Kreislaufwirtschaftsstrategie will Ministerin Steffi Lemke 2024 vorstellen, für ein Recyclinglabel erst mal Forschungsprojekte anstoßen.

„Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihre Politik jetzt klar darauf ausrichtet, den Rohstoffverbrauch zu senken“, sagt Hannah Pilgrim, Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Netzwerks AK Rohstoffe. „Sie muss den Sekundärrohstoffmarkt fördern und den Abbau primärer Rohstoffe klar an Umwelt- und Menschenrechtskriterien ausrichten“. Und das, so Pilgrim auf nationaler wie auf europäischer Ebene. „Bisher bekommen wir da ganz unterschiedliche Signale“.

Kein Wunder, denn vor Regierung und Unternehmen liegt ein schwieriger Zielkonflikt: Der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl ist ressourcenintensiv, und jetzt, da etwa die Autokonzerne ernst machen und ihre Produktion weltweit auf Elektroantriebe umstellen, spitzt sich dieser Konflikt zu.„Wir müssen die Verkehrswende, die Wärme- und Energiewende einleiten“, sagt Herwart Wilms, Geschäftsführer des Recyclingunternehmens Remondis, „dafür benötigen wir erst einmal jede Menge Rohstoffe“. In Elektroautos, Windrädern und Solaranlagen stecken Lithium, Seltene Erden, Kobalt, Nickel und zahlreiche weitere Metalle, deren Gewinnung mit Umweltproblemen und Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Die Recycling­raten gerade für diese Spezialmetalle sind sehr niedrig, für viele Stoffverbindungen fehlen noch Verfahren für ein sinnvolles Recycling.

In großem Maßstab recycelt werden schon jetzt Kupfer oder Aluminium. In jeder produzierten Tonne dieser Nicht-Eisenmetalle stecken in Deutschland etwa 50 Prozent Schrott – je nach Metallsorte mehr oder weniger. „Die Unternehmen könnten mehr“, sagt Rainer Buchholz, Leiter Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz bei der Wirtschaftsvereinigung Metalle. Hier fehle es nicht an Verfahren, sondern an Material. „Metalle wie Kupfer werden in langlebigen Produkten verbaut und stehen nicht oder erst nach langen Zeiträumen für Recycling zur Verfügung, Schrott wird exportiert, zugleich wächst der Markt für Metalle – angetrieben durch die Energiewende“, sagt Buchholz. Es sei daher wichtig, dass der Schrott im Land bleibe und hiesigen Unternehmen zur Verfügung stünde.

Um das zu erreichen, arbeitet Brüssel derzeit an der „Abfallverbringungsverordnung“, die darüber bestimmt, welcher Müll ins Ausland exportiert werden darf. Gut ausgestaltet, wäre das ein konkreter Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft. Einen anderen – das Recht auf Reparatur – hat die EU-Kommission soeben verschoben.