Verkehrsaktivist vor Gericht: Und es war doch ein triftiger Grund

Als „Polizeibeobachter“ lässt Andreas Schwiede Falschparker abschleppen. Der Polizei stößt das sauer auf. Jetzt musste er vor Gericht erscheinen.

Schwarzes Auto wird auf Abschleppwagen gehoben

Andreas Schwiede lässt gerne Autos fliegen (Symbolbild) Foto: picture alliance / dpa | Paul Zinken

BERLIN taz | Er ist der „Polizeibeobachter“: Andreas Schwiede meldet seit vielen Jahren Falschparker, die den Fuß- und Radverkehr gefährden, vor allem in Schöneberg, aber auch anderswo, je nachdem, wo er gerade so vorbeikommt. Seit 2016 twittert er auch über diese Tätigkeit fast täglich unter dem Kürzel „poliauwei“, was ihm einige Follower eingebracht hat – virtuelle, aber auch solche, die es ihm auf der Straße gleichtun und sich das Label „Abschleppgruppe“ gegeben haben.

Das schmeckt weder den angezeigten Falschparkenden noch der Berliner Polizei. Wie Schwiede unlängst der taz im Interview erläuterte, hat er einen Leitfaden entwickelt, bei dessen akribischer Befolgung durch Meldende den BeamtInnen kaum etwas übrig bleibt, als das Corpus delicti versetzen – vulgo: abschleppen – zu lassen. Begeistert sind sie von so viel ungefragter Hilfestellung allerdings überhaupt nicht.

Im taz-Gespräch erklärte Schwiede auch, warum ihm eine simple Anzeige nicht reicht: Sie führe meist nicht zum Abschleppen des Wagens, also bleibe die Verkehrsgefährdung bestehen. Würden nun die Bußgelder deutlich erhöht, sei das auch keine Lösung, denn: „Es würde nur dazu führen, dass stärker juristisch dagegen vorgegangen und Widerspruch eingelegt wird. Das wird dann alles eingestellt, die Staatsanwaltschaft hat nicht die Kapazitäten.“

Am Mittwoch wurde Schwiede vor dem Amtsgericht Tiergarten vorstellig, denn diesmal war er es selbst, der sich gegen einen Bußgeldbescheid gewehrt hatte: Im Januar 2021 war er auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle gewesen, wozu er am Südkreuz umsteigen muss. Beim Warten auf den Bus wollte er einen Falschparker anzeigen, aber die Beamten, an die er sich wandte, versuchten den Spieß umzudrehen: Damals herrschte ein strenger Coronalockdown, und Schwiede, so jedenfalls ihre Interpretation, war ohne triftigen Grund in der Öffentlichkeit unterwegs.

Zu den Akten gelegt

Für Schwiede ist klar: „Denen geht es darum, uns aus dem Verkehr zu ziehen.“ Gerade der Polizeiabschnitt 42 habe ihn auf dem Kieker. Es war auch nicht das einzige „Lockdown-Bußgeld“ für die Abschleppgruppe, einige seiner Mitstreiter traf es ebenso – und ihn selbst gleich vier Mal. Alle anderen Fälle wurden vom zuständigen Gesundheitsamt wieder zu den Akten gelegt. In einem Fall, so Schwiede, habe er nachweisbar gar nicht seine Wohnung verlassen, sondern nur die Beobachtung einer Bekannten telefonisch der Polizei gemeldet.

Der Vorfall vom Südkreuz hat es nun doch in den Gerichtssaal geschafft. Besonders lange dauert das Ganze aber nicht, der Richter lässt sich von Schwiede Belege seiner Arbeitsschichten zeigen und fragt ein paar Mal nach dem genauen Weg, der dorthin zurückzulegen ist. Dann stellt er das Verfahren ein.

Schwiedes Erklärung, die Polizei möge ihn halt nicht, weil er ihre Untätigkeit bloßstelle, quittiert der Richter mit einem schulterzuckenden „Kann schon sein“. Und ob ein eingestelltes Verfahren nicht ein „Freispruch zweiter Klasse“ sei? „Damit müssen Sie nun leben.“ Dass Schwiede damit leben kann und weitermacht, lässt sich sicherlich zeitnah auf Twitter verfolgen.

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