Investitionsschutz für Energiekonzerne: Niederlande kündigen Energiecharta

Das als klimaschädlich verrufene Abkommen erlebt gerade eine Austrittswelle. Bundeswirtschaftsminister Habeck will, dass auch Deutschland aussteigt.

ein Energiepark mit verschiedenen Kraftwerken und zwei Windkraftanlagen

Energie Park Eemshaven in den Niederlanden, die Regierung hat die Energiecharta gekündigt Foto: Jochen Tack/imago

BERLIN taz | Die Niederlande treten aus dem umstrittenen Energiechartavertrag aus, dessen Mitglieder Energiekonzernen besonderen Investitionsschutz zusichern. Das kündigte der linksliberale Wirtschaftsminister Rob Jetten am Dienstagnachmittag an.

Die Niederlande sind gewissermaßen Mutterland der Energiecharta, die 1991 in Den Haag unterzeichnet wurde. Auf ihrer Basis laufen zahlreiche Klagen von Unternehmen gegen Staaten vor internationalen Schiedsgerichten, vor allem wegen neuer Klima- und Umweltstandards.

Auch Deutschland gehört zu den Vertragsstaaten, von denen es insgesamt 51 gibt – gerade noch. Die Ankündigung der Niederlande reiht sich in eine kleine Austrittswelle ein. Erst vor wenigen Tagen hatte auch Spanien mitgeteilt, aus dem Vertrag aussteigen zu wollen, genau wie Polen im September. Italien ist schon seit 2016 nicht mehr dabei.

Der Energiechartavertrag gilt als Hemmnis beim Aufhalten der Klimakrise. Das haben ihm sogar schon die renommierten Wis­sen­schaft­le­r:in­nen des Weltklimarats IPCC attestiert, die Anfang April in einem großen Bericht „Klimaschutzbedenken“ bei verschiedenen Handelsverträgen beklagten – und unter anderem die „Modernisierung des Energiechartavertrags“ anmahnten. Auch die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, auf eine Reform hinwirken zu wollen.

Habeck will, dass Deutschland aussteigt

Eine solche gab es diesen Sommer auch. Ex­per­t:in­nen zufolge hat sie aber nicht dazu geführt, dass der Vertrag nun im Einklang mit dem Paris-Abkommen oder gar EU-Recht stünde.

„Eine Reform, die ihren Namen verdient, hätte die Streichung der Schiedsgerichte, ein sofortiges Ende des Investitionsschutzes für fossile Energien und eine Reform der Investitionsschutzstandards bedeutet“, sagte Ludwig Essig, Handelsreferent beim Umweltinstitut München, der taz. „Aber diese Themen waren zum Großteil nicht einmal Gesprächsinhalt der Verhandlungen. Dass alle drei Reformziele scheiterten ist dramatisch, zeigt aber: Wir müssen das Anti-Klimaabkommen jetzt kündigen!“

Die EU-Kommission hält weiterhin zu den Ergebnissen der Reform und warnt zudem vor der 20-jährigen Verfallsklausel. Die ermöglicht es Unternehmen ohnehin, auch 20 Jahre nach Austritt aus dem Vertrag noch zu klagen. Essig erklärt, um diese Nachhaftung zu umgehen, müssten Länder aus dem Vertrag aussteigen und einen neuen Vertrag abschließen, der Klagen über den Energiechartavertrag ausschließt. Außerdem bestehe die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Welche Schlüsse die Bundesregierung daraus zieht, ist noch unklar. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist jedenfalls kein Fan des Energiechartavertrags. „Der Minister setzt sich für den Austritt ein und hat die Ressortabstimmung eingeleitet“, sagte ein Sprecher der taz. Das heißt: Die Bundesregierung als Ganzes bildet sich ihre Meinung erst noch.

Aus seiner Bundestagsfraktion dürfte Habeck dabei Druck bekommen. „Es ist klar, wir müssen raus aus dem Energiechartavertrag, um für fossile Konzerne nicht mehr erpressbar zu sein“, sagte etwa die Grünen-Abgeordnete Kathrin Henneberger gegenüber der taz.

In zwei Bundestagsausschüssen ist sie für ihre Fraktion Berichterstatterin zur Energiecharta. „Ich sorge mich auch um andere Länder, die gerade einsteigen wollen, etwa Uganda“, erklärte sie. „Auch als Signal an diese Regierungen ist es wichtig, dass wir jetzt schnell aussteigen.“

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