Deutsche Waffendebatte: Leopard, Kubicki und andere Panzer

Gutes Gerät, schlechtes Gerät: Die Berliner CDU will alte Sowjet-Panzer loswerden. Gleichzeitig hat das Waffen-Bescheidwisser:innentum Konjunktur.

Leopard Panzer

Kampfpanzer Leopard 2 Foto: Sven Eckelkamp/imago

Panzer oder keine Panzer – und wenn ja welche? Die öffentliche Debatte geht munter weiter, obwohl sich der Krieg gegen die Ukraine gerade eher in der Luft abspielt und das erstaunlich schnell vom Hause Lam­brecht gelieferte Luftabwehrsystem Iris-T dort (hoffentlich) gute Dienste verrichtet – auf jeden Fall bessere als nicht gelieferte Leopard-Kampfpanzer.

Doch unsere schönen Panzerdiskussionen lassen wir Deutschen uns so leicht nicht nehmen – wo wir uns in den vergangenen Monaten doch erst mühsam, von Talkshow zu Talkshow, vom Pazifistenvolk zu kriegswaffenkundigen Be­scheid­wis­se­r:in­nen gemausert haben. Ich zum Beispiel habe erst kürzlich kapiert, dass mein Sohn, wenn er von Leopard, Marder und Büffel spricht, sich nicht auf den Bio-Unterricht bezieht, sondern Waffenkunde-Smalltalk betreibt.

Der Krieg ist, zum Glück nur in Form von Quartettkarten-Wissen, im Kinderzimmer angekommen. Vorbei die Zeiten, als es noch um den Kleinen Maulwurf ging, später dann um den Weißen Hai. Jetzt werden am Frühstückstisch Frontlinien-News erörtert – quasi synchron mit den Kriegsmeldungen aus dem Radio.

Aber zurück zu den Panzern: Jetzt hat selbst die Ukraine ihr schwerstes Gerät, den Panzerdiplomaten Andrij Melnyk, aus Berlin abgezogen: „Erhobenen Hauptes mit reinem Gewissen“, wie er auf Twitter schreibt, kehrt dieser nun nach Kiew zurück und wird künftig aus dem Außenministerium rhetorische Geschütze nach Berlin abfeuern.

Panzerwrack für Berlin-Mitte

Er hinterlässt ein paar beleidigte Leberwürste, dafür bekommt Berlin nun ein 40 Tonnen schweres, zerbeultes russisches Panzerwrack. Das darf laut Gerichtsbeschluss jetzt doch für zwei Wochen als Mahnmal in Nähe der russischen Botschaft aufgestellt werden, wie von einem privaten Museum beantragt. Die Pietätsbedenken des Bezirks, schließlich seien in dem Fahrzeug „wahrscheinlich Menschen gestorben“, fand das Gericht weniger gewichtig als die Meinungsfreiheit. Das zerbeulte Ding soll bald in der Schadowstraße stehen, einer Seitenstraße von Unter den Linden.

Künftig werde ich also auf dem Weg zur Arbeit an drei russischen Panzern vorbeiradeln. Denn an der Straße des 17. Juni stehen ja noch sehr prominent zwei sowjetische Exemplare, in Erinnerung an die bei der Befreiung Berlins gestorbenen Soldaten der Roten Armee. Seit Februar wird das Sowjetische Ehrenmal von der Polizei bewacht, und, ja, ich hatte auch schon wenig pazifistische Gedanken beim Vorbeifahren. Vor allem immer dann, wenn ich gerade ein Grüppchen umfahren hatte, das in Sichtweite zur russischen Botschaft Plakate gegen die „Nato-Kriegstreiber“ hochhält. Ob diesen Leuten durch den Anblick eines kaputten Panzers irgendein Licht aufgeht, wage ich zu bezweifeln.

Die Berliner CDU hat nun eine andere Idee: Die Panzer am 17. Juni müssen weg – angesichts des russischen Angriffskriegs sei die Grundlage für diese Form des Mahnmals zerstört, verlautete aus ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Wie bitte? Ach so, in Berlin ist ja wieder Wahl­kampf: Ge­ra­de streitet man sich darüber, ob die Bundestagswahl nächstes Jahr in 300 oder 400 Wahllokalen wiederholt werden muss. Vorher feuert die in Berlin traditionell zerbeulte CDU schon mal ein paar Blindgänger ab.

Kubicki und Koch-Mehrins Gatte

Männlich-schussbereit und zielstrebig: Wie ein Panzer veralteter Bauart präsentierte sich diese Woche dagegen die FDP in Gestalt von Parteivize Wolfgang Kubicki bei „Maischberger“: Er und Christian Lindner hätten der sexistischen Kultur in der Partei ein Ende bereitet, tönte Kubicki. Und erzählte dann, wie er seine Parteikollegin Silvana Koch-Mehrin in Brüssel mit einem Jobangebot „angebaggert“ habe. Als deren durchtrainierter Ehemann erschien, habe er sich verzogen.

Ich finde: Auch Kubicki hat, als einer der hoffentlich Letzten seiner Art in der Politik, ein Denkmal verdient. Er könnte etwa, Weinflasche in der Hand, auf einem Stück Gaspipeline reiten, einem davoneilenden Damenbein nachschauend. Die FDP-Parteizentrale liegt übrigens auch auf meinem Weg zur Arbeit.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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