Steigende Coronazahlen: Pandemie ist noch nicht vorbei

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieht den Anfang einer neuen Coronawelle. Aber er beruhigt: „Wir sind besser vorbereitet als im letzten Herbst.“

Karl Lauterbach guckt lustg.

Karl Lauterbach mahnt, aber gibt sich optimistisch: „Wir werden die Welle im Griff haben.“ Foto: Wolfgang Kumm/dpa

BERLIN/DRESDEN rtr/dpa | Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, geben in der Coronavirus-Pandemie noch keine Entwarnung. „Wir befinden uns ganz klar am Beginn einer Herbst- und Winterwelle“, sagte Lauterbach am Freitag in Berlin. Aber: „Wir sind besser vorbereitet als im letzten Herbst.“

Auch Wieler betonte bei einer Pressekonferenz mit dem Minister: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei.“ Die gute Nachricht sei, dass es noch keinen massiven Anstieg der Einweisungen in Krankenhäuser gebe. Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland nahm allerdings weiter zu.

Laut den RKI-Zahlen vom Freitag betrug die Zahl der registrierten Neuinfektionen in Deutschland innerhalb der vergangenen 24 Stunden 96.367. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 466,0 von 409,6 am Vortag. Das RKI meldete zudem 140 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus.

Die bekannte Gesamtzahl für Deutschland liegt damit bei 149.948. Wieler und Lauterbach wiesen darauf hin, dass die Dunkelziffer derzeit wahrscheinlich sehr viel höher sei als bislang üblich. Lauterbach sagte, er gehe davon aus, dass tatsächlich drei Mal so viele Menschen infiziert seien als registrierte Fälle vorlägen.

Dass sich eine neue Welle aufbaue, sei auch im europäischen Ausland zu beobachten, sagte Lauterbach. Corona stehe derzeit zwar nicht mehr so stark im Vordergrund der Öffentlichkeit. Es müsse aber alles dafür getan werden, um eine „zusätzliche Stresssituation“ zu vermeiden, betonte er mit Blick auf Ukraine-Krieg und Energiekrise.

Die Welle werde sich von alleine nicht begrenzen lassen, die mit dem am Samstag inkraft tretenden neuen Infektionsschutzgesetz möglichen Maßnahmen müssten von den Bundesländern auch angewendet werden, mahnte der Minister und nannte konkret etwa die Maskenpflicht in Innenräumen. Andernfalls drohten in den kommenden Wochen personelle Engpässe in der kritischen Infrastruktur. Außerdem rief er dazu auf, sich impfen zu lassen. Gleichwohl zeigte sich Lauterbach optimistisch: „Wir werden die Welle im Griff haben.“

Wieler wies darauf hin, dass es derzeit eine verstärkte Zunahme an Atemwegsinfektionen gebe, die nicht nur durch das Coronavirus ausgelöst würden. Die Zahlen seien „deutlich höher“ als in vorangegangenen Jahren. So seien allein in der vergangenen Woche 7,7 Millionen Menschen in Deutschland neu erkrankt, 1,2 Millionen Menschen hätten deshalb einen Arzt aufgesucht. Wieler wies daraufhin, dass es neben der Corona-Impfung auch die Grippe-Impfung gebe. Beide Wirkstoffe könnten gleichzeitig verabreicht werden.

Razzia in mehreren Bundesländern gegen mutmaßliche Corona-Betrüger:innen

Unterdessen hat die Polizei im Rahmen der Ermittlungen gegen eine sächsische Ärztin 84 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht. Es bestehe der Verdacht, dass die Frau im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt habe, teilte die Polizei in Dresden am Freitagmorgen mit. Insgesamt 225 Beamte seien an der Aktion am Donnerstag in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg beteiligt gewesen. Die Frau ist nach Angaben aus Ermittlerkreisen im Raum Dresden ansässig.

Die Ärztin stehe im Verdacht, „unrichtige Gesundheitszeugnisse“ ausgestellt zu haben, heißt es in der Mitteilung. In Gefälligkeitsattesten seien unter anderem Unverträglichkeiten beim Tragen einer medizinischen Maske oder ein unbegrenztes Impfverbot bescheinigt worden. Für die Atteste soll die Ärztin Geld verlangt und damit etwa 60.000 Euro eingenommen haben. Die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten erfolgte demnach bereits im März 2022, die Auswertung dauere an.

Die neuerlichen Durchsuchungen richten sich laut Mitteilung gegen Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der Ärztin oder Menschen, die das Angebot in Anspruch genommen haben sollen. Aufgrund der bisher gewonnenen Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass die Beschuldigte in mehreren Bundesländern agiert habe. Sie soll Sammeltermine durchgeführt haben, bei denen sie auf Bestellung „im Minutentakt gegen Zahlung in Höhe von mindestens 25 Euro“ Atteste aushändigte, erklärten die Beamten. Unter anderem Heil­prak­ti­ke­r:in­nen und Bestattungshäuser hätten der Frau gegen Gewinnbeteiligung ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und die Organisation der Termine und die Weiterleitung der Bestellungen übernommen.

Die Polizeidirektion hat nach eigenen Angaben aufgrund des schieren Umfangs der Ermittlungen eine eigene Ermittlungsgruppe „Atteste“ gegründet. Diese kümmert sich auch um die vielen Folgeverfahren, die gegen die Inhaber der Atteste sowie gegen die Organisatoren der Sammeltermine zu führen sind. Ermittelt wird in dem Zusammenhang auch gegen vier Bedienstete der Polizei Sachsen, die sich mutmaßlich unrichtige Atteste ausstellen ließen. Bei den Durchsuchungen am Donnerstag wurden insgesamt 317 mutmaßlich unrichtige Atteste sichergestellt.

Der Fall ist nicht der erste dieser Art. Immer wieder wurden während der Pandemie Ermittlungen gegen Ärz­t:in­nen aufgenommen, die falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt haben sollen. Im Frühjahr 2022 durchsuchte die Polizei beispielsweise dutzende Wohnungen in ganz Deutschland: Mehr als 90 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet sollen von einem Arzt aus dem Kreis Tübingen gefälschte Corona-Impfnachweise bekommen haben.

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