Migranten in den USA: Menschen als Druckmittel

Konservative US-Gouverneure verschieben Migranten in demokratisch regierte Bundesstaaten. Dabei belügen sie die Menschen über Vorhaben und Ziel.

Menschen mit Gepäck auf einer Wiese

„Zu grüneren Weiden“: Migranten aus Venezuela in Martha's Vineyard, Massachusetts Foto: Ray Ewing/Vineyard Gazette/reuters

NEW YORK taz | Mit falschen Versprechungen und Überrumpelungen verschieben die republikanischen Gouverneure der Südstaaten Texas, Arizona und Florida Tausende Migranten und Flüchtlinge in liberale Großstädte und Bundesstaaten weiter nördlich in den USA. Sie tun es mit Bussen und mit Charterfliegern. Und sie prahlen vor ihrer Basis und ihren Geldgebern mit den Aktionen.

„Wir sind kein Zufluchtsstaat“, begründete Floridas Gouverneur Ron deSantis, warum er kürzlich 38 Venezolaner auf die Ferieninsel Martha's Vineyard vor der Küste von Massachusetts geflogen hat: „Wir bringen sie zu grüneren Weiden“. Zur Finanzierung seiner Aktion verwendete er Mittel aus dem Covid-Entlastungsfonds, den die Bundesregierung ihm zur Verfügung gestellt hatte.

Sowohl die Migranten als auch die Behörden in den demokratisch regierten Städten und Bundesstaaten werden von den drei republikanischen Gouverneuren im Süden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Ruft bei den Kirchen an“, riet eine gewisse „Perla“ per Telefon den Venezolanern, als sie entgeistert feststellten, dass sie an einen Ort geflogen worden waren, an dem niemand sie erwartet hatte.

„Perla“, die fließend Englisch und Spanisch spricht, hatte die Flüchtlinge im texanischen San Antonio – vermutlich im Auftrag des Gouverneurs von Florida – von der Straße aufgelesen und ihnen Jobs für 90 Tage, Unterkunft und Verpflegung versprochen. Die Venezolaner waren von ihren wochen- und monatelangen gefährlichen Reisen bis zur US-Grenze erschöpft.

Floridas Gouverneur brüstet sich mit seinem Coup

Sie hatten die Notunterkünfte für ihre ersten Tage in Texas bereits verlassen müssen. Und ihnen fehlte das Geld, um auf eigene Faust weiter reisen zu können. Von Martha's Vineyard hatten sie nie gehört. „Perla“ hatte ihnen ein Dokument zur Unterschrift vorgelegt, von dem sie nur die spanischsprachigen Teile verstanden.

Und sie hatte ihnen vor dem Abflug eine vorübergehende Unterkunft und Verpflegung in San Antonio besorgt. Erst im Landeanflug und nach einer Zwischenlandung in Florida sahen sie, dass sie auf eine Insel vor Massachusetts gebracht wurden.

In einer vom texanischen Gouverneur Greg Abbott veranlassten anderen Aktion spuckte ein Bus aus Texas 50 Migranten in dem Stadtteil Naval Observatory in unmittelbarer Nähe der Residenz von Vizepräsidentin Kamala Harris in der US-Hauptstadt aus. Auch dort war niemand auf die Ankunft der von der mehr als 2.500 Kilometer langen Reise erschöpften Neuankömmlinge, darunter zahlreiche Kinder, vorbereitet.

„Brillant“ nannte deSantis in Florida die Bus-Aktion, mit der sein texanischer Kollege das Problem in das demokratische Washington verschob. Er selbst bekannte sich bei einer Pressekonferenz in Florida am Tag nach der Verschiebung der 48 Venezolaner stolz zu seinem Coup.

In den Fußstapfen Donald Trumps

DeSantis schlägt derzeit Töne an, die wie eine Neuauflage von Donald Trumps Kampagnenanfängen im Jahr 2015 klingen: Er redet von „illegalen“ Migranten, auch wenn sie – wie im Fall der Venezolaner – Asylanträge gestellt haben und legal in den USA sind. Er redet von tödlichen Drogen und anderen Gefahren, die die Migranten angeblich mitbringen. Und er behauptet, er schütze die Grenzen der USA vor Eindringlingen.

Der Gouverneur von Florida ist noch nicht offiziell Kandidat für die republikanische Präsidentschaftskandidatur von 2024. Aber seine Touren durch das Land, seine Suche nach finanziellen und politischen Unterstützern und seine Themen- und Wortwahl machen ihn zu dem aussichtsreichsten potenziellen Nachfolger in den Fußstapfen von Trump.

In diesem Jahr sind mehr Migranten nach dem Überqueren der Südgrenze der USA festgenommen worden als je zuvor. Doch die seit Jahrzehnten überfällige Migrationsreform oder zumindest eine nationale Konferenz über die Verteilung der Kosten und der Migranten auf alle 50 Bundesstaaten steht nicht auf dem Programm.

Während die republikanischen Gouverneure auf politische Vorteile abzielen, sind die Verschickungen der Migranten in demokratische Bundesstaaten nicht nur zusätzliche Härten. In New York City, wo in den zurückliegenden Wochen Tausende von Migranten in Bussen aus Texas angekommen sind, haben Kirchen und Stadtteilgruppen humanitäre Hilfen organisiert. In Martha's Vineyard kamen über Nacht Kleider-, Spielzeug- und Lebensmittelspenden für die Venezolaner an, die zunächst Unterkunft in einer Kirche fanden.

Die Schriftstellerin Nancy Aronie bereitete sich bereits darauf vor, ihr Studio für eine Flüchtlingsfamilie zur Verfügung zu stellen. Doch dazu kam es nicht. Zwei Tage nach ihrer Ankunft wurden alle 48 Venezolaner mit einer Fähre in eine Unterkunft auf dem Festland gebracht. Drei von ihnen haben den Gouverneur von Florida inzwischen verklagt.

Schützenhilfe bekommen sie von Sheriff Javier Salazar in Bexar County in Texas. Er hat Ermittlungen wegen „eines vorsätzlichen, betrügerischen und illegalen Plans“ gegen den Gouverneur von Florida eröffnet.

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