Faktencheck Lützerath: „Ein Erhalt ist nicht möglich“

Der Ort Lützerath soll den Kohlebaggern weichen. NRW sagt, die Versorgungssicherheit sei sonst gefährdet. Stimmt das?

Der Braunkohletagebau hat sich bis nah an die ersten Häuser des von den Einwohnern verlassenen Ortes Lützerath im Rheinischen Revier herangearbeitet.

Eine Studie stellt fest, dass Lützerath „„aus geologischer Sicht nicht langzeitstabil“ sei Foto: Arnulf Stoffel/dpa

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat erklärt, ein Erhalt des Ortes Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler sei „nicht möglich“. Bleibe der Ort erhalten, werde „die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den kommenden acht Jahren notwendige Fördermenge nicht erreicht“.

Richtig ist:

Diese Aussage ist zumindest in ihrer Absolutheit kaum haltbar, weil die Versorgungssicherheit von sehr vielen Faktoren abhängt, wie der sonstigen Stromerzeugung, dem Stromverbrauch und auch der Frage, wie viel deutscher Strom künftig in die Nachbarländer fließt.

Schwieriger zu bewerten sind hingegen die geologischen Bedenken, die das Wirtschaftsministerium gegen den Erhalt Lützeraths anführt. Laut dem Geologischen Dienst des Landes nämlich könne „kein dauerhaft standsicherer Zustand einer Landzunge Lützerath erreicht werden“. Ein Szenario, das den Ort ausspart und das Abbaufeld in zwei Teilfelder spaltet – eines nördlich, eines südlich des Ortes –, schaffe eine langgestreckte Halbinsel.

Neue Studie

Diese sei „aus geologischer Sicht nicht langzeitstabil“, wenn aus dem Tagebauloch irgendwann ein See wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht jedoch in einer neuen Studie davon aus, dass der Verlauf der Hangkante so gewählt werden kann, dass Lützerath fortbestehen kann.

Unterdessen überrascht, dass der Ort so sehr zum Symbol für den Kohleausstieg werden konnte. Diesen Status hat Lützerath nämlich noch nicht lange. Noch im Jahr 2020 schrieb das DIW in einer Studie im Auftrag von Greenpeace, die Orte Immerath und Lützerath seien „bereits weitestgehend leerstehend und devastiert“, womit deren Erhalt „nicht zwangsläufig notwendig“ sei.

Inzwischen nähert sich das DIW dem Thema von der anderen Seite: Die Zerstörung weiterer Dörfer sei „für den Braunkohlestrombedarf nicht notwendig“, heißt es jetzt. Dies gelte auch für den Ort Lützerath. Dabei orientiert sich das DIW an den Klimaschutzzielen. Selbst wenn man die Garzweiler Dörfer inklusive Lützerath erhalte, könne man noch 100 Millionen Tonnen Braunkohle abbauen.

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Im Tagebau Hambach könne man weitere 130 Millionen Tonnen fördern und zugleich den Hambacher Wald erhalten. Mit diesen 230 Millionen Tonnen übertreffe man bereits das CO2-Budget, das noch emittiert werden darf, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll.

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