Deutsche Außenpolitik gegenüber Iran: Protest vor Baerbocks Tür

Das iranische Regime geht weiter brutal gegen Demonstrierende vor. Deutsch-Iraner demonstrieren gegen die lasche Haltung Deutschlands.

Menschen halten Plakate mit den Gesichtern von ihaftierten Bloggern

Auch am Mittwoch demonstrierten Menschen in Berlin für Solidarität mit den Protesten in Iran

BERLIN taz | Während die Revolutionsstimmung im Iran trotz massiver staatlicher Gewalt unvermindert anhält, wächst in Deutschland der Frust der Iraner über die Politik der Bundesregierung. Das hat sich auf einer Kundgebung am Donnerstag vor dem Auswärtigen Amt in Berlin gezeigt. Rund 100 Menschen aus ganz Deutschland sind dafür dem Aufruf des Mideast Freedom Forum Berlin gefolgt.

Zu Beginn verlas Anmelderin Ulrike Becker einen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit Forderungen „für eine neue Iranpolitik“ zur Unterstützung der Protestbewegung, „denn ihr gehört die Zukunft“.

Konkret verlangen die Protestierenden, „alle offiziellen Verhandlungen mit der Islamischen Republik einzustellen“, „harte Sanktionen gegen die repressive Elite“, weitgehender Visa-Stopp für staatliche Vertreter, Stopp aller Handelsbeziehungen – und „nach dem Vorbild Kanadas alle Mitglieder des Repressionsapparates mit Sanktionen zu belegen“.

Deutschland habe 43 Jahre lang das Regime unterstützt, sagt Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime in ihrer Rede. Unter Baerbock gebe es mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ zwar „kleine Veränderungen, aber die sind nicht genug“. Die Bundesregierung müsse „klipp und klar erklären, dass das islamische Regime ein faschistisches Mörderregime ist, mit dem es keine Zusammenarbeit geben darf“. Die „Frauenrevolution“ habe nur eine Chance, wenn Deutschland und Europa sie konsequent unterstützten, so Ahadi.

Große Demo am 22. Oktober geplant

Lautstark skandiert die Menge das Losungswort der Proteste „Jin, Jiyan, Azadi“ (Frau, Leben, Freiheit) und singt die Hymne der Bewegung „Baraye“ (deutsch: „Für“), die aus Lautsprechern tönt. Jasmin Maleki, eine junge Frau aus Hamburg, hält weinend auf Persisch eine anklagende Rede in Richtung des Ministeriums und schneidet sich Haarsträhnen ab. „Die schicke ich an die iranische Botschaft, mit meinem Blut“, sagt sie der taz.

Auffällig ist, wie auf vielen Kundgebungen in Berlin zuvor, dass die Revolte auch im Exil Ira­ne­r*in­nen vieler politischer Richtungen vereint. Menschen, die Flaggen mit Löwe halten, dem Zeichen der Shah-Anhänger, stehen neben solchen, deren Flagge die Sonne zeigt (kurdisch). Jamila Naghi hat sich eine kommunistische Fahne um die Schultern geschlungen: Dass sie alle nun zusammenstehen, „macht mich optimistisch, dass das Regime fällt“, sagt die aus Dresden angereiste Kurdin.

Mehrdad Hadjihashemi aus Bitburg, der mit zwei Mitstreitern eine Fahne mit dem Symbol der Atheisten hält, sieht es genau so: „Mir ist egal, ob die anderen Kommunisten oder sonstwas sind. Wir müssen jetzt einig sein und tolerant gegeneinander.“

Einig sind sich alle angesprochenen auch, dass sie nächste Woche wiederkommen wollen. Für den 22. Oktober ruft der iranisch-kanadische Zahnarzt und Autor Hamed Esmaeilion zur Kundgebung nach Berlin.

Esmaeilion ist in der Exilgemeinde weltweit bekannt als Sprecher der Vereinigung der Hinterbliebenen von Flug PS752. Das Flugzeug wurde im Januar 2020 von den Iranischen Revolutionsgarden abgeschossen. Esmaeilion verlor dabei Frau und Tochter und arbeitet seither gegen das Regime. Die Hoffnung der Deutsch-Iraner: Wenn er als bekannte Galionsfigur zur „Freedom rally“ ruft, werden sie so viele sein, dass die Politik sie nicht mehr ignorieren kann.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.