Neue Sanktionen gegen Russland: EU sucht nach Antworten

Nach Russlands Ankündigung einer Teilmobilisierung will die EU neue Sanktionen verhängen. Ein Ölpreisdeckel und ein Diamanten-Embargo sind im Gespräch.

Portrait vor der Fahne der United Nations

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell am 21. September in New York Foto: Julia Nikhinson/ap

BRÜSSEL taz | Das gab’s noch nie: Am Rande der UN-Vollversammlung in New York haben sich die EU-Außenminister getroffen, um eine Antwort auf die russische Eskalation im Ukrainekrieg zu suchen. „Wir werden neue restrik­tive Maßnahmen prüfen, wir werden sie verabschieden“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach der eilig einberufenen Sondersitzung am Mittwoch.

Schnell und entschieden sollte das wirken. Es sei darum gegangen, nach der Rede von Kremlchef Wladimir Putin eine kraftvolle Botschaft zu senden, betonte Borrell. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gab sich kämpferisch. „Wir sind bereit, Russland (…) weitere wirtschaftliche Kosten aufzuerlegen“, erklärte sie.

Doch in Brüssel kamen die Ankündigungen aus New York nicht gut an. EU-Korrespondenten beschwerten sich, weil von der Leyen nur mit CNN gesprochen hatte, nicht aber mit europäischen Journalisten. Diplomaten fragten sich, welche Sanktionen eigentlich gemeint sein sollen. Bereits im Sommer war den Europäern die Puste ausgegangen.

Das letzte Sanktionspaket war nur noch ein Päckchen voller kleinteiliger Maßnahmen, die Putin kaum wehtun dürften. Vor dem großen Hammer – einem Gasembargo – schreckt die EU aus Angst vor den Folgen für die heimische Wirtschaft zurück. Und so dürfte auch das nächste, achte Sanktionspaket eher mager ausfallen. Es könnte einen Preisdeckel für russisches Öl und ein Embargo auf Diamanten enthalten, sagen Insider in Brüssel. Diese Maßnahmen werden allerdings schon seit Wochen diskutiert. Den Preisdeckel hat die Gruppe der sieben wichtigen Industriestaaten (G7) wiederholt angekündigt. Wie er umgesetzt werden soll, ist immer noch unklar.

Gemeinsame Strategie fehlt

Offen ist auch, ob die EU die für Sanktionen nötige Einstimmigkeit erreicht. Noch vor der Krisensitzung in New York sagte Ungarns Regierungschef Viktor Orbán in Budapest, er werde sich für ein Ende der Sanktionen einsetzen. Die Strafmaßnahmen hätten die Gaspreise und die Inflation in die Höhe getrieben, das müsse aufhören.

Orbán ist nicht der einzige Quertreiber. Auch Griechenland und Zypern haben Bedenken – ihre Reedereien liefern russisches Öl in alle Welt und lehnen harte Auflagen ab. Und dann ist da noch Italien: Bei der Wahl am Sonntag könnte die extreme Rechte an die Macht kommen. Ob sie neue Sanktionen mitträgt, ist völlig offen.

In New York trug die EU ihre Entschlossenheit zur Schau, doch in Brüssel bröckelt die Einheit. Das gilt nicht nur für die Sanktionen, sondern auch für Waffenlieferungen. Bisher fehlt eine gemeinsame Strategie: Soll sich Europa völlig von Russland abschotten – oder doch noch Fluchtwege und Gesprächskanäle offenhalten? Darf Russland nicht gewinnen, oder muss die Ukraine unbedingt siegen?

Antworten sucht man in Brüssel bisher vergebens. Dabei fordert Putin die EU immer offener heraus. In der Ukraine habe es Russland mit der „Militärmaschinerie des kollektiven Westens“ zu tun, sagte er in seiner Rede. Damit sind dann wohl auch Deutschland und andere EU-Länder gemeint. Bisher meiden sie den direkten Konflikt mit Russland.

Doch nun steigt das Risiko einer Konfrontation. Man wüsste schon gern, wie die EU damit umgehen will. Setzt sie weiter auf Sanktionen und Waffen – oder bemüht sie sich auch um Deeskalation? Man halte weiter Gesprächskanäle zu Moskau offen, sagte der Sprecher von Borrell in Brüssel. Doch wie sie genutzt werden, wollte er nicht verraten.

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