Grüne Kanzlerkandidatur: Zurück in die Zukunft

Die Grünen wollen künftig über die Kanzlerkandidatur per Urwahl entscheiden. Für eine Partei, die noch immer für Basisdemokratie stehen will, ist das eine gute Idee.

Bundesaußenministerin Baerbock flüstert Wirtschaftsminister Habeck ins Ohr

Sollen nicht wieder unter sich auskungeln, wer für das Kanzleramt kandidiert: Baerbock und Habeck Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Grünen wollen ihre Kanzlerkandidatin oder ihren Kanzlerkandidaten künftig per Urwahl bestimmen, wenn es mehrere aussichtsreiche Kandidaturen gibt. Das ist eine der Lehren, die die Partei aus dem Bundestagswahlkampf 2017 gezogen hat. Und es ist eine gute Idee.

Zwar dürften andere Maßnahmen ebenso wichtig sein: eine breitere und professionellere Aufstellung der Parteizentrale etwa, die den Wahlkampf managt und auf Krisen angemessen zu reagieren weiß – und nicht, wie zuletzt im Fall von Annalena Baerbocks Lebenslauf oder ihrem vergeigten Buch durch schlechtes Krisenmanagement, alles noch schlimmer macht.

Auch ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts der Entscheidung wichtig, damit die Kampagne auf die entsprechende Person ausgerichtet werden kann – beim letzten Mal kam sie zu spät. Und die Grünen können es sich nicht noch einmal leisten, ihre zwei Alphatiere selbst auskungeln zu lassen, wer denn nun die Kandidatur übernimmt.

Am Ende einfach nur abzunicken, war schon beim letzten Mal für eine Partei, die noch immer für Basisdemokratie stehen will, eine Zumutung. Und die Lage hat sich verschärft: Durch die Ampel-Koalition, vor allem aber durch den Krieg in der Ukraine, durch Energiekrise und Inflation häufen sich Entscheidungen, die Teile der Basis bestenfalls zähneknirschend mittragen können. Der Reservebetrieb für Isar II und Neckarwestheim ist nur eine davon.

Eine Urwahl stärkt die Basis, bindet ein und motiviert, was für einen erfolgreichen Wahlkampf Voraussetzung ist. Ob die Basis aber die beste Entscheidung fällt, also die aussichtsreichste Kan­di­da­t:in und die bestmögliche potentielle Kanz­le­r:in kürt? Das ist offen und war in der Vergangenheit in Sachen Spitzenkandidatur sicher nicht immer der Fall. Doch die Partei hat sich weiterentwickelt, die Flügel-Arithmetik hat deutlich an Bedeutung verloren.

Und zahlreiche Stimmen meinen ja auch, dass zuletzt die Entscheidung für Baerbock falsch war. Etwas heikel könnte zwar werden, dass mit Baerbock und Robert Habeck – auf die beiden läuft es wohl erneut hinaus – zwei Regierungsmitglieder in einen parteiinternen Wahlkampf treten müssten, zumal in einer extrem schwierigen Zeit. Möglicherweise erledigt sich die Frage jedoch von selbst. Die nächste Bundestagswahl ist erst 2025. Bis dahin kann man noch viele Fehler machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.