Nach verstörender Wagenknecht-Rede: „Wir sind es leid“

Linke-Landespolitikerinnen fordern, Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion auszuschließen. Fraktionschefs Bartsch und Mohamed Ali sollen zurücktreten.

Sahra Wagenknecht steht am Rednerpult im Bundestag und schaut zur Seite

Hat sie diesmal den Bogen überspannt? Sahra Wagenknecht im Bundestag am 8. September Foto: imago

BERLIN taz | „Wir sind es leid.“ Die Linken-Landespolitikerinnen Katharina König-Preuss, Jule Nagel und Henriette Quade haben sich mit einem offenen Brief an den Vorstand der Linkspartei und die Fraktion im Bundestag gewandt. Darin fordern sie den Ausschluss von Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion und den Rücktritt der beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali.

Anlass ist die Rede von Wagenknecht im Plenum zur Energiepolitik, bei der diese der Ampel vorgeworfen hatte, einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen zu haben. Wagenknecht forderte ein Ende der „fatalen Wirtschaftssanktionen“ und Verhandlungen mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen.

Die drei ostdeutschen Politikerinnen kontern in ihrem Brief scharf: „Statt unsere politischen Forderungen nach Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit zu kommunizieren, wurde (…) Putin in die Hände gespielt und die Redezeit für rechtsoffene populistische Plattitüden verschwendet“, schreiben Nagel, König-Preuss und Quade. Die Entscheidung des Fraktionsvorstandes Wagenknecht sprechen zu lassen, sei nicht nur fahrlässig, „sondern schadet unserer Partei in hohem Maße“. Bartsch und Mohamed hätten die Rede trotz massiver Bedenken und wohlwissend um die von Wagenknecht vertretenen Inhalte zugelassen und damit gestützt.

„Das Agieren der Bundestagsfraktion an zentralen Stellen der politischen Auseinandersetzung macht unsere Probleme nicht kleiner, sondern größer“, schreiben die drei Landespolitikerinnen. Kritik an der Bundestagsfraktion hatten auch andere artikuliert. Der ehemalige Geschäftsführer der Bundespartei, Jörg Schindler, schrieb auf Twitter, die Linksfraktion habe sich „verhalten wie ein arroganter feudaler Hofschranzen-Staat“.

Grenze des Erträglichen erreicht

Die Linkspartei verfehlte bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde und ist nur dank dreier Direktmandate in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten. Derzeit liegt sie in Umfragen bei 5 Prozent.

König-Preuss, Quade und Nagel sind keine unbekannten Hinterbänklerinnen, sondern haben sich in ihren drei Bundesländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen einen Namen im Kampf gegen Rechtsextreme und rechte Strukturen gemacht. Quade ist unter anderem Sprecherin für Strategien gegen Rechts im Landtag von Sachsen-Anhalt. König-Preuss ist antifaschistische Sprecherin der Linken im Thüringer Landtag, die dort die stärkste Fraktion stellt. Und Nagel ist die einzige direkt gewählte Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag und erhielt unter anderem den Leipziger Friedenspreis für ihr Engagement gegen Neonazis.

Quade, König-Preuss und Nagel beklagen, dass Wagenknecht immer wieder Beschlüsse der Partei ignoriert hat. „Ob Äußerungen gegen die Aufnahme von Geflüchteten, (…) gegen Coronaschutzmaßnahmen oder gegen unsere Bünd­nis­part­ne­r*in­nen aus den antirassistischen, Klima- oder Queerbewegungen: Die Grenze des Erträglichen ist mit Blick auf das Gebaren von Sahra Wagenknecht und ihrer Getreuen schon lange erreicht.“ Immer wieder sei man in der Situation, sich für Wagenknechts Äußerungen erklären und ihr widersprechen zu müssen.

Die Schlussfolgerung daraus: „Eine Person, die sich inhaltlich gegen Parteitagsbeschlüsse stellt, kann unsere Fraktion nicht öffentlich repräsentieren.“

Der offene Brief wurde am Freitagabend um 22:00 Uhr im Internet über es-reicht.org veröffentlicht – rechtzeitig vor der Vorstandssitzung der Linken, die sich am Wochenende im brandenburgischen Rathenow trifft. Laut Tagesordnung wollen die Ge­nos­s:in­nen über die „Heißer-Herbst Kampagne“ diskutieren. Doch das Thema Wagenknecht und der Umgang mit ihr dürften ebenfalls heiß sein.

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