Tattoos an öffentlichen Orten: Nörgeln über Anker im Wasser

In Japan hat Tinte auf der Haut einen schlechten Ruf. Unsere Autorin hat trotzdem Tattoos – und ist genervt, wenn sie vom Baden ausgeschlossen wird.

Ein Mensch hat Tättowierungen an den beinen

Ob Anker, Blumen oder Eulen: in Japan haben Tättowierte nur eingeschränkte Rechte Foto: Simon Stacpoole/imago

Das Schild im Eingangsbereich ist nicht zu übersehen. „No Tattoos“ steht da. Auf Englisch, damit es auch alle Touris verstehen. Auf Japanisch ist der Satz etwas höflicher formuliert: „Den Eintritt von Personen mit Tätowierungen lehnen wir ausdrücklich ab.“ Für mich heißt es also: auf der Stelle kehrt machen und den Rest des Abends fluchen. Die Freude am Baden ist damit passé.

Solche Schilder sind in Japan keine Seltenheit. Am Eingang von Onsen (heißen Quellen), Hotel-Bädern, Vergnügungsparks, Schwimmbädern, Fitnesshallen oder gar auf manchen Spielplätzen gibt es Schilder mit Zeichnungen von tätowierten Menschen, die dick und fett rot durchgestrichen sind: ein unübersehbares Verbotszeichen. Diese Abneigung gegen Tattoos hat mehrere Gründe.

Unter anderem werden Tattoos häufig als unhygienisch betrachtet – als ob sich die Tinte durch die heiße Quelle von der Haut lösen und das Badewasser schwarz färben würde. Ein weiterer verbreiteter Grund ist, dass im 17. und 18. Jahrhundert alle, die als kriminell verurteilt worden sind, mit Tinte markiert wurden. Ein Blick in japanische Geschichts- und Kunstbücher zeigt aber, dass Tinte auf der Haut immer wieder aus unterschiedlichen Motiven gestochen wurde: aus Ästhetik- oder Trendgründen oder auch als Zeichen der Zuneigung Prostituierter gegenüber ihren Freiern.

Nur leider nützt mir dieses Wissen nichts, wenn ich am Empfang einer Wellnessoase stehe und dem Personal erkläre, dass meine Körperbemalung nichts mit einer Mitgliedschaft irgendeiner Mafia zu tun hat. Manche Betriebe kommen Tätowierten entgegen und bieten an, dass sie ihre Körperkunst mit einem Pflaster oder Sticker überkleben können. In meinem Fall wäre allerdings eine meterlange Verbandsrolle sinnvoller. Als halbe Mumie darf ich nur leider auch nicht ins Wasser.

Im letzten Jahrhundert stecken geblieben

Das Ministerium für Infrastruktur und Tourismus führte im Jahr 2015 eine Umfrage bei Hotels mit einer heißen Quelle durch. Das Ergebnis ist zum Haareraufen: 56 Prozent verbieten tätowierten Gästen das Baden komplett, 13 Prozent erlauben es nur mit Bedingungen wie Überkleben oder abweichenden Badezeiten. Darüber hinaus wurde auch gefragt, ob es beim Eintritt von Gästen mit Tattoos überhaupt Komplikationen gab – 78 Prozent verneinten.

Eine nähere Definition zu den „Komplikationen“ gibt es nicht. Alle Annahmen von laut Singen bis hin zu Shampoo klauen oder mit einem Gummiball Gäste abwerfen bleiben offen. Beschweren tun sich untätowierte Gäste trotz mehrheitlich friedlicher Lage: 47 Prozent meckern über Pusteblumen, Schmetterlinge und Anker im Wasser.

In jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die andere aufgrund ihres Aussehens ausschließen. Die Kriterien sind dabei recht willkürlich: Jungs mit langen Haaren, die in der Schule gemobbt werden, bis hin zu Firmen, die Übergewichtige bei Bewerbungsgesprächen als undiszipliniert abstempeln.

Dabei macht gerade unterschiedliches Aussehen unsere Individualität aus. Nicht wenige toben sich kreativ an ihrem Körper aus und nutzen ihn als Mittel, um die Persönlichkeit nach Außen zu tragen. Eine Befragung unter Ja­pa­ne­r:in­nen ergab überdies, dass einige Tattoos gar nicht so abwegig finden – aber sie die eingeschränkte Teilnahme an öffentlichen Orten davon abhält. Wirklich schade.

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In Tokyo und Hamburg aufgewachsen, Auslandsjahr in Shanghai. Studium in Berlin, Chongqing und Halle. Schreibt seit 2021 für die taz. Kolumnistin des feministischen Magazins an.schläge (Foto: Hella Wittenberg)

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