Eiskunstlauf als Politikum: Ein Dopingfall im Rampenlicht

Kamila Walijewa lieferte die große Herz-Schmerz-Geschichte der Olympischen Winterspiele. Jetzt ist die Russin zurück auf dem Eis.

Eiskünstläuferin Kamila Walijewa verbirgt ihr Gesicht unter einer Kapuze

Ab unter die Kapuze: Kamila Walijewa am Ende ihrer Kür Foto: SNA/imago

BERLIN taz | Kreischende Fans jubeln ihren Lieblingen in der riesigen Megasport-Arena von Moskau beim ersten Wettbewerb dieser Eiskunstlaufsaison zu. Während anderswo im Land Sicherheitskräfte mit aller Gewalt Demonstrationen gegen die Mobilmachung für die Ausweitung des Angriffskriegs gegen die Ukraine niederschlugen, wurde in der 13.000 Zuschauer fassenden Halle eine Eislaufshow veranstaltet, die glamouröser nicht hätte sein können. Star der Veranstaltung war Kamila Walijewa. Die mittlerweile 16 Jahre alte Eiskunstläuferin zeigte zum ersten Mal ihre neue Kür und schlug dabei den Bogen zurück zu den Olympischen Winterspielen im Februar, bei denen sie im Zentrum eines Dopingskandals stand.

Sie begann ihre Vorstellung mit Einspielungen aus Nachrichtensendungen, die sich mit ihrem Fall beschäftigten, und beendete ihre Kür, indem sie sich eine schwarze Kapuze über den Kopf gezogen hat. Unter einer solchen hatte sie ihr Gesicht auch verborgen, um in der Mixed Zone bei den Spielen von Peking den neugierigen Journalisten zu signalisieren, dass sie nichts sagen möchte. Die hatten viele Fragen, von denen etliche bis heute nicht beantwortet sind.

Während der Spiele war bekannt geworden, dass Walijewa früher in der Saison positiv auf ein verbotenes Herzmedikament getestet worden war. Wäre sie zu diesem Zeitpunkt nicht erst 15 Jahre alt gewesen, sie wäre schnell suspendiert worden. So aber stand sie unter dem besonderen Schutz der Antidopingbestimmungen für jugendlichen Athletinnen.

Die Spiele gingen mit ihr weiter. Ihr Fall war das Politikum der Spiele, was in ihrer Heimat als typisches Beispiel für Russophobie interpretiert wurde. Walijewa, die in der olympischen Saison besser gelaufen war als alle Konkurrentinnen, durfte also im Einzelwettbewerb starten. Vor den Augen einer entsetzten Weltöffentlichkeit hielt sie dem immensen Druck nicht stand, konnte die wichtigsten Sprünge ihrer Kür nicht stehen und verließ weinend die olympische Eishalle.

Es ist gewiss kein schlechter Kniff, Walijewa als tragische Heldin zu inszenieren

Nun läuft sie also wieder. Und mit der Inszenierung von Moskau schreibt sie die Geschichte, die in Peking so viele Menschen bewegt hat, weiter. An der Bande in Moskau stand Trainerin Eteri Tutberidze, die als Mädchenschinderin in der Szene verschrien ist und die in Peking von IOC-Präsident Thomas Bach kritisiert worden war, weil sie Walijewa nach deren desaströser Kür nicht angemessen getröstet hatte. Tutberidses Idee sei es gewesen, die olympischen Vorkommnisse in der Kür zu thematisieren, meinte Walijewa nach dem Wettbewerb.

Geschickte Inszenierung

Es ist gewiss kein schlechter Kniff, Walijewa als tragische Heldin zu inszenieren. Noch kursieren die Berichte über die erste Anhörung zu dem Fall während der Olympischen Spiele, nach denen von russischer Seite behauptet wurde, Walijewa habe versehentlich ein Herzmedikament ihres Großvaters eingenommen. Nun darf man gespannt sein, ob bei neuen Anhörungen ähnlich Originelles herauskommen wird.

Die sollen nun durchgeführt werden, nachdem die russische Antidopingagentur Rusada ihre Untersuchungen zu dem Fall abgeschlossen hat. Was dabei herausgekommen ist? Man weiß es nicht. Vielleicht wird Walijewa das Ergebnis bei einem ihrer nächsten Auftritte ja aufs Eis tanzen. Eteri Tutberidse wird bestimmt etwas dazu einfallen.

Die Präsenz der Trainerin in Moskau ist ebenfalls ein starkes Zeichen im traditionell hochpolitisierten Eiskunstlaufsport. Im Sommer hatte sie sich länger in den USA aufgehalten, wo sie lange gelebt hat. Schnell wurde spekuliert, sie könne in die Staaten wechseln. Dort trainiere schließlich auch ihre Tochter Diana Davis. Die bildet zusammen mit ihrem Ehemann Gleb Smolkin ein Eistanzpaar und ist für Russland bei den Spielen in Peking angetreten.

Weil Davis vor 19 Jahren in Las Vegas geboren wurde, besitzt sie neben der russischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Wechselt sie nun den Verband? Auch darüber wird vor allem in den USA heftig diskutiert. In der Tat hat Davis sich einem Klub in den USA angeschlossen. Auch ihr Partner Gleb Smolkin ist seit Kurzem Mitglied in einem US-Klub. Damit erfüllen sie die Voraussetzungen, um bei US-Wettkämpfen an den Start zu gehen.

Doch die Namen der beiden, die bei internationalen Wettbewerben nicht startberechtigt sind, solange sie für Russland gemeldet sind, fehlten am Ende doch auf der Startliste des Challenge Cup von Ardmore am vergangenen Wochenende. Auch für die Wettkämpfe in Moskau hat sich das Paar abgemeldet. Die nötigen Reisedokumente für Smolkin hätten gefehlt, teilte Davis über Social Media mit. Noch also sind die beiden kein US-Paar, für Russland wollen sie sich wohl auch nicht entscheiden. Ein interessanter Tanz neben dem Eis.

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