Hamburger Tafeln in der Krise: Wo der Staat versagt

Die Tafeln starten eine große Spendenaktion. So gut das auch ist, wird dadurch vor allem eins klar: Der Staat kümmert sich nicht.

Ein Tafel-Mitarbeiter steht vor einer Ausgabestelle

Helfen, wo sich der Staat wegduckt: Ehrenamtliche der Hamburger Tafel Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Um des Ansturms an Bedürftigen Herr zu werden, versuchen die Hamburger Tafeln mit einer großen Aktion Privatleute zum Spenden zu animieren. Damit zeigen sie auch, wie groß das Versagen der Politik ist.

Für die Daseinsvorsorge ist nämlich eigentlich der Staat zuständig. Das mag manch ei­ne*r schon vergessen haben, denn die Ideologie des Neoliberalismus ist nicht erst seit dem Antritt von Christian Lindner als Finanzminister tief in die Gesellschaft eingesickert. Wer es sich nicht leisten kann Essen zu kaufen, der soll gefälligst mehr arbeiten, oder auf Almosen von finanziell besser gestellten Menschen hoffen. Zu lange haben sich die politisch Verantwortlichen auf der Arbeit der Tafeln ausgeruht. Nun, da es wegen des Kriegs in der Ukraine weniger Spen­de­r*in­nen und mehr Bedürftige gibt, wird der Fehler im System offensichtlich.

Der Staat möchte möglichst wenig Hilfe für arme Menschen leisten: Die Sozialhilfe reicht, erst recht mit der derzeitigen Inflation, nicht für ein würdevolles Leben. Und der neue Mindestlohn sorgt dafür, dass viele zukünftige Rent­ne­r*in­nen garantiert in Armut leben werden. Die Auslagerung der Versorgung mit Lebensmitteln an die Tafeln passt da nur ins Bild.

Unlängst warnte die Landesarmutskonferenz vor einer „Vertafelung der Gesellschaft“. Dabei ist die schon lange eingetroffen. Wer an Grundversorgung mit Lebensmitteln denkt, denkt an die Tafeln. Das ist ein Beleg für die gute Arbeit der vielen Ehrenamtlichen – und für die Verachtung, die manche Po­li­ti­ke­r*in­nen offensichtlich für arme Menschen empfinden. Sie sind es einfach nicht wert, Steuergelder auszugeben. Sollte die Debatte um eine „staatliche Tafel“ in den politischen Mainstream gelangen, so würde es wohl kaum verwundern, wenn Christian Lindner wieder von „Gratismentalität“ spricht.

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