Junger Ukrainer beim Golf: Wenn Könner den Heimatplatz spielen

Dann wird es frustrierend für uns Wiesenhacker. Dann kommt auch noch so ein 14-jähriges Bürschchen wie der Ukrainer Lev Grinberg.

Ein Jugendlicher mit Basecap, der Golfer Lev Grinberg, holt zum Schlag aus.

Lev Grinberg beim Schlag in Schilde (NL) Foto: imago

Wenn man beim Fußball nah am Spielfeld sitzt, merkt man erst, wie unfassbar schnell es zugeht: Drehungen, Pässe, Grätschen, Grätschen ausweichen, alles wie im Zeitraffer. Und wenn man mit Profis ein paar Minuten lang den Ball nur hin und her spielt, geht es so scharf zur Sache, dass man ganz schnell außer Puste gerät.

Beim Golf ist es ähnlich, nur schlimmer. Wo wir HobbyspielerInnen zwei gute Hiebe brauchen, um zum Grün zu kommen, zielen die Besten gleich mit dem ersten Schlag hin. Wenn das auch noch auf dem Heimatplatz passiert, sorgt das für tiefen Frust. Die weiten Wiesen, auf denen du zeitlebens deine zweiten oder dritten Schläge gemacht hast, kennen die Bälle der Könner nur von oben, wenn sie weit darüber fliegen.

So war es jetzt auf dem belgischen Mergelhof nahe Aachen, beim „Federal Summer Prize“ für die besten Amateure des Nachbarlandes. Diese Eleganz, diese geschmeidige Dynamik. Ist dies das gleiche Golf, das auch wir so mühsam zu spielen versuchen mit unserer nachlassenden Beweglichkeit? Wusch, donnern die Kugeln so weit, dass man Ferngläser bräuchte.

Einer ist Lev Grinberg, ein schmächtiger junger Mann mit bunter Pudelmütze auf dem Kopf, gegen die plötzliche Kälte. Sein Handicap: +4,9. Vereinfacht gesagt, spielt er einen Platz mit Standardvorgabe von 72 Schlägen mit durchschnittlich 67. Vor allem ist er erst 14 Jahre alt. Schon für 18-Jährige ist +4,9 ein Traumwert.

Er wollte auch mal

Lev stammt aus der Ukraine. Mit sechs Jahren, erzählt Papa ­Illya, sei man in Kiew „bei einem Radausflug an so einer Holzhütte von Clubhaus vorbeigekommen. Wir haben eine Cola getrunken, andere Kinder übten daneben und Lev wollte auch mal.“ Der Ball flog, das Virus war da, und es ging steil bergauf. Der Vater, tätig im Wein- und Wodkahandel, zog mit dem Sohn nach Antwerpen. Da war Lev acht, Trainer bestaunten sein Talent. Mit 11 gewann er Turniere, bei denen er 18-Jährige zu Dutzenden hinter sich ließ.

Dann kam das Covid-Glück. Man war beruflich in den USA und – Lockdown. Anderthalb Jahre durften Vater und Sohn nicht zurück. Das hieß anderthalb Jahre intensives Training bei den besten Coaches. Ende 2020 war Lev Grinberg Nummer 1 in der Weltrangliste der 12-Jährigen.

Unterwegs mit ihm an Bahn 4: „I´ll go for it“, sagt er mit freundlich junger Stimme und wusch, liegt sein Abschlag auf dem 270 Meter entfernten Grün. Stürmisch ist es, heftige Regenschauer kommen herunter. Nach der ersten von drei Runden stehen nur sehr mäßige 73 zu Buche. „Kein Wetter, um viele Birdies zu spielen“, sagt Lev selbstbewusst lächelnd. Nur Platz 3 soweit. „Nicht schlimm“, lebensweisheitet Vater Illya, „am ersten Tag kannst du kein Turnier gewinnen, nur verlieren.“

Nervös? Aber nein

Zweimal qualifizierte sich Lev dieses Jahr für Turniere der European Tour, darunter die Dutch Open. Die Tour der Männer wohlgemerkt. Ob er nervös gewesen sei vor Tausenden ZuschauerInnen? „Nein, es ist wie immer: ein kleiner weißer Ball, der in ein kleines Loch muss.“

Die Wodka-Fabrik in Kiew („Polyana Wodka“), erzählt Vater Illya, haben russische Truppen im März weggebombt. Muss Lev bald die Familie ernähren? Das Turnier auf dem Mergelhof hatte er schließlich mit sechs Schlägen Vorsprung gewonnen, ein paar hundert Euro Siegprämie gab das, mehr dürfen Amateure pro Turnier nicht verdienen.

Was ihn am Golf fasziniert: „Man macht immer schöne lustige Erfahrungen. Und ich liebe das ständige Wettkampfgefühl.“ Mit 18 wolle er zum ­College-Golf in die USA „und möglichst bald Profi werden“. Als Anfang. „Dann einmal alle Majors gewinnen und die Nummer 1 der Welt werden.“ Jugendlicher Übermut? Levs prominenter US-Trainer sagt: „Seine Arbeitsmoral ist unübertroffen. Er ist der beste Nachwuchsgolfer, den ich je gesehen habe.“

Die Könner beenden derweil ihre Invasion auf dem Mergelhof. Schon hacken sich wieder die ersten Clubmitglieder auf die Runde. Man meint sogar, leise Schmerzensrufe des Platzes zu hören.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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