Psychologin zur Klimakrise: „Emotionen sind ein Schlüssel“

Angst, Wut und Trauer wegen des Klimas sind belastend, sagt die Psychologin Katharina van Bronswijk. Aber sie lösen auch den Drang aus, zu handeln.

Klimaprotest. Jemand hält ein Schild mit der Aufschrift "...I want you to panic"

„Emotionen haben einen evolutionären Sinn“, sagt die Psychologin Katharina van Bronswijk Foto: Müller-Stauffenberg/imago

taz: Wer in Bezug auf die Klimakrise Gefühle wie Wut oder Angst offen zeigt, gilt schnell als hysterisch. Sie sagen: Man darf diese Emotionen auf keinen Fall aus der Debatte heraushalten. Wieso?

Katharina van Bronswijk: Vorneweg: Unsere Gesellschaft ist insgesamt „emotionsphobisch“ – das ist nicht nur ein Problem in der Klimadebatte. Wir halten uns grundsätzlich für total rationale Wesen und sind fast schon beleidigt darüber, dass wir auch Gefühle haben. Und zwar vor allem so unangenehme wie Wut, Trauer, Schuld oder Scham. Die empfinden wir als unnötig, denn sie passen nicht zu der kapitalistischen Erzählung von möglichst immer währendem Glück, nach der wir leben. Konsum und Arbeit sind da nur zwei der Strategien, um uns nicht mit diesen Gefühlen auseinandersetzen zu müssen.

Katharina van Bronswijk arbeitet als Psychologin in Hamburg und ist Sprecherin der Gruppe „Psychologistis/Psychotherapists for Future“.

Warum ist das ein Problem?

Emotionen haben einen evolutionären Sinn: Sie sagen uns, was wir gerade brauchen, und bewegen uns zum Handeln. Wenn wir uns zum Beispiel einsam fühlen, zeigt uns das, dass wir etwas ändern müssen – etwa indem wir mehr Kontakt zu anderen Menschen suchen. Das Gefühl ist unangenehm, aber wichtig. Auch unsere Gefühle zur Klimakrise funktionieren so: Sie sagen uns, dass etwas schiefläuft, und vor allem, dass wir etwas tun müssen. Dass die Gefühle dabei belastend sind, ist zwar nicht schön, aber wenn wir sie nicht als belastend empfinden würden, hätten wir keinen Drang, etwas zu ändern.

Das heißt Gefühle wie Angst, Wut und Trauer können uns theoretisch motivieren, etwas gegen die Klimakrise zu tun?

Genau.

Wie lerne ich in einer „emotionsphobischen“ Gesellschaft, diese Gefühle zuzulassen?

Menschen nehmen Gefühle auf unterschiedliche Weise wahr. Bei manchen verändern sie das Denken, andere spüren sie eher körperlich – etwa als Anspannung in den Schultern oder als Kloß im Hals. Zu erkennen, dass ein Gefühl dahinter steckt, ist der Anfang. Danach kommt einer der schwierigsten Schritte: akzeptieren, dass das Gefühl jetzt gerade da ist, und es nicht beiseiteschieben. Dabei hilft es, zu wissen, dass Gefühle wie eine Welle sind – sie bleiben nicht die ganze Zeit auf demselben Level. Wenn das Gefühl etwas abgeebbt ist, kann man schauen, was es uns sagen will und wie man konstruktiv damit um­gehen kann.

Haben Sie ein Beispiel?

Angenommen, ich sehe in den Nachrichten, dass die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert worden sind, und ärgere mich darüber. Dann spüre ich vielleicht Hitze in mir aufsteigen, rege mich auf und fluche innerlich. Das lasse ich erst mal zu. Und wenn die erste Wut dann abgeklungen ist, schreibe ich zum Beispiel an Herrn Habeck, warum ich seine Entscheidung falsch finde. Im besten Fall so konstruktiv, dass ein Minister etwas damit anfangen kann…

Klingt zeitintensiv …

Man kann sich vielleicht auch einfach bei jemand anderem auskotzen, die Gefühle abebben lassen – und dann weitermachen. Langfristig ist es bei der Klimakrise aber nicht die beste Lösung, immer nur abzuwarten, bis das Gefühl abgeflaut ist, denn davon löst sich dieses komplexe Problem nicht. Die negativen Gefühle werden immer wieder kommen.

Was ist, wenn die Klima­krise nur lähmende Gefühle auslöst?

Das Problem sind nie die Gefühle, sondern wie wir damit umgehen. Unangenehme Emotionen fokussieren unser Denken auf die Gefahr und lösen einen Handlungsimpuls aus. Das hat den Zweck, dass wir die bedrohliche Situation entweder verhindern oder, wenn das nicht geht, vermeiden. Früher hieß das: Da steht ein Säbelzahntiger vor mir, also muss ich jetzt kämpfen oder rennen. Das Problem ist, dass wir die Klimakrise nicht vom einen auf den anderen Moment lösen können. Wenn wir unsere Handlungsoptionen nicht kennen oder sie uns nicht ausreichend vorkommen, dann ist das frustrierend und kann tatsächlich lähmend sein.

Was kann man da tun?

Es ist extrem wichtig, dass wir nicht immer nur über die Probleme sprechen, sondern auch darüber, was jeder Einzelne zum Umbau der Gesellschaft beitragen kann. Das kann man selbst ein Stück weit steuern: Wenn man das Grundproblem der Klimakrise verstanden hat, muss man sich nicht immer tiefer in Katastrophenmeldungen graben, sondern kann sich mehr mit der Lösungsseite beschäftigen.

Sollte jeder fürs Klima auf die Straße gehen?

Worum es unseren Emotionen geht, ist, dass das Problem gelöst wird. Manchmal reicht es auch, im eigenen Verein oder Unternehmen Veränderungen anzustoßen. Man muss allerdings aufpassen, denn es gibt da eine Falle namens Alibiverhalten: Wir tun eine kleine Sache, um uns besser zu fühlen, bekämpfen damit das unangenehme Gefühl und rechtfertigen mit dieser kleinen Handlung andere, viel größere Fehlverhalten. Etwa: Ich trenne den Müll und fahre dafür alle möglichen unnötigen Strecken mit dem Auto.

Manche Menschen wirken, als berührte die Klimakrise sie gar nicht sonderlich. Trügt das oder löst die Krise tatsächlich nicht bei allen Menschen Angst, Wut oder Trauer aus?

Es gibt natürlich Menschen, die wirklich nicht politisch sind, keinerlei Interesse daran haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen, oder einfach darauf vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Die interessieren sich für umwelt- und gesellschaftspolitische Themen einfach nicht. Aber ich glaube, für viele Menschen klingt das Wort „Angst“ auch einfach nach etwas sehr Großem. Wenn man sie fragt, ob sie Angst vor der Klimakrise haben, verneinen sie das vielleicht, weil sie denken, Angst sei gleich Panik. Angst kann aber auch schon ein Unwohlgefühl sein – und ich glaube, das haben sehr viele Menschen, wenn sie sich mit dem Thema beschäftigen.

Warum handeln sie dann nicht?

Es gibt viele verschiedene Mechanismen, die uns davon abhalten zu handeln, auch wenn wir das Problem erkannt haben. Zum Beispiel schieben wir Verantwortung gern auf andere. Im Fall der Klimakrise zum Beispiel auf die Politik und die Wirtschaft. Und gerade die sind ja sehr gut darin, sich so darzustellen, als hätten sie alles im Griff. Das ist natürlich ein wunderbarer Ausweg für die Psyche, um vor sich zu rechtfertigen, dass man selbst nichts tut.

Ist der richtige Umgang mit unseren Gefühlen der Schlüssel dazu, die Klimakrise in den Griff zu bekommen?

Ich glaube, es ist nicht der Schlüssel, aber ein sehr wichtiger. Wir müssen ein Problembewusstsein haben, ein Handlungsverlangen und Wissen darüber, was wir tun können. Was hingegen nicht passieren sollte, ist, dass wir das Problem zu sehr individualisieren. Natürlich ist es wichtig, dass jeder lernt, mit all den Gefahren und schlimmen Nachrichten psychisch irgendwie klarkommen. Aber da darf nicht Schluss sein. Wir brauchen eine soziale Transformation. Dafür dürfen wir nicht um die Gefühle kreisen, sondern müssen eben lernen, mit ihnen umzugehen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

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