Fußball-WM der Männer: Podcasts über Katar ohne Kataris

Die Podcasts „Beyond Qatar“ und „Geld Macht Katar“ diskutieren die kommende WM. Doch dabei bleibt die Debatte selbstreferenziell.

Leeres Fußballstadion Lusail

Unter sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen gebaut: Stadion Lusail in der gleichnamigen Planstadt Foto: Pawel Kopczynski/reuters

„And the winner is … Qatar!“ Wie kam es, dass die Männer-WM in einem winzigen autokratischen Wüstenstaat mit sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen und ziemlich ohne Fankultur ausgerichtet wird? Und wie damit umgehen? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit zwei sehr unterschiedliche Podcasts. „Beyond Qatar“ heißt der eine, in dem Moritz Knorr für die Podcastbude mit Ex­per­t:in­nen über Korruption, Menschenrechte oder Boykott spricht.

„Geld Macht Katar“ ist der andere; hier versprechen die ARD und Die Zeit, jenseits von Newshäppchen und Vorurteilen die „Blackbox Katar“ versuchsweise zu entziffern. In erster Reihe die Jour­na­lis­t:in­nen Pune Djalilevand (RBB), Benedikt Nabben (BR) und Yassin Musharbash (Zeit).

Beide Formate treffen dieselbe schlechte Entscheidung: Sie befragen keine katarischen Stimmen. Die Katar-Debatte bleibt die selbstreferenzielle deutsche Diskussion, die sie eigentlich die ganze Zeit schon ist. Man weiß nicht so besonders viel über das Land, aber vieles besser. Besonders deutlich wird das bei „Beyond Qatar“, wo altbekannte weiße deutsche Sportautoren wie Dietrich Schulze-Marmeling (Boycott Qatar) und Ronny Blaschke (Letzterer war immerhin mehrfach vor Ort) die Diskussion dominieren.

Auch „Geld Macht Katar“, deutlich diverser aufgestellt, sagt unfreiwillig einiges, wenn die drei Jour­na­lis­t:in­nen als Ex­per­t:in­nen vorgestellt werden, die „so gut Bescheid wissen wie fast keiner derzeit in Deutschland“ über Katar – wofür sie offenbar ein einwöchiger Aufenthalt qualifiziert.

„Beyond Qatar“, seit 8. August, jeden zweiten Montag, sieben Folgen, drei erscheinen noch

„Geld Macht Katar“, seit 13. September, jeden Dienstag, acht Folgen, sechs Folgen erscheinen noch

Das ist schade. Und doch, zumindest „Geld Macht Katar“ trifft auch ziemlich viele richtige Entscheidungen. Zunächst mal profitiert der Podcast enorm davon, dass die Jour­na­lis­t:in­nen immerhin kurz vor Ort waren. Neben allerlei erwartbaren Beobachtungen – gruselig saubere Basare, steinreiche Kataris in verspiegelten Toyotas – bringen sie Interessantes mit. Zum Beispiel, dass viele Kataris offenbar mit ihren SUVs in der Freizeit in die Wüste fahren, um dort Freiheit zu genießen, die sie im klinischen Doha nicht haben. Dass in diesen Familien, die vor zwei Generationen noch arme Perlentaucher waren, die Beduinentradition weiterlebt – im Vier-Sterne-Bungalow. Und dass die Welten in dieser Klassengesellschaft einander kaum je begegnen: Die Mi­gran­t:in­nen haben sogar eigene Supermärkte.

Angenehm auch, welchen differenzierten Ton der Podcast trifft. Er skizziert eine gemeinsame raubtierkapitalistische Fußballwelt statt des viel behaupteten „Demokratie versus Autokratie“, beispielhaft an der Macht des Kataris Nasser al-Khelaifi im europäischen Fußball. Auch, um den mal live zu sehen, betreibt man lohnenden Reiseaufwand. Und der Podcast wägt Worte sorgsam. Katar sehen die Re­por­te­r:in­nen nicht so sehr als Diktatur, sondern als Autokratie; der Emir müsse durchaus Stammesinteressen berücksichtigen. Und, klar, als Familienunternehmen der al-Thanis. Yassin Musharbash: „Es ist ein Stamm mit einer Flagge und einer Grenze.“ In „Beyond Qatar“ geht es hingegen über die gängigen Erklärungsplattitüden wie Softpower und Sportswashing selten hinaus. Dabei geht einiges durcheinander an wirklichen und gefühlten Problemen.

„Wieso muss ich meine geliebte Weltmeisterschaft unterm Heizpilz verbringen?“, klagt da Moderator Knorr. Menschenrechtskritik mischt sich mit Eurozentrismus und Herablassung – „ein Land ohne Fußballtradition“, wie es mehrfach heißt, ist Katar ja mitnichten, der erste Verein der Einheimischen gründete sich 1950. Und warum soll ein Land ohne viel Tradition als Fußballweltmacht nicht das Recht haben, eine solche aufzubauen? Der „größte Skandal in der Geschichte der Weltmeisterschaft“, wie der Pod­cast es penetrant nennt, ist angesichts der Mussolini-WM 1934 oder der WM neben Folterlagern 1978 eine gewagte These.

Weniger krachende Faust auf den Stammtisch und präziseres Problembewusstsein hätten „Beyond Qatar“ gutgetan. Erfreulich ist dafür der Fleiß bei der Aufarbeitung der ganzen Korruptionssaga. Viele verdrängte Details über die Macht Katars, des Kapitals und all den Irrsinn, mit dem die Fifa die Demokratie aushebelt, lassen sich hier en detail nachhören. Wer aufmerksam zuhört, wird auch hier zu dem Schluss kommen: Die Reichen dieser Welt kaufen sich den Fußball an allen Fronten. Mit WM in Katar oder ohne.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.