Getränkeindustrie schlägt Alarm: Gaspreis verknappt Kohlensäure

Manche Getränkehersteller produzieren weniger, da Säure fehlt. Sie fällt bei der Düngerherstellung an, die wegen der Gaskosten eingeschränkt wurde.

Großaufnahme von Blasen in Bier

So prickelnd kann Bier mit Kohlensäure aussehen Foto: imago

BERLIN taz | Wegen der hohen Erdgaspreise wird Kohlensäure für die Getränke-Industrie zunehmend knapp. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, nannte die Entwicklung besorgniserregend. Derzeit seien nach Schätzungen der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie nur noch 30 bis 40 Prozent der üblichen Liefermengen von Kohlendioxid (CO2) verfügbar, aus dessen Reaktion mit Wasser Kohlensäure entsteht. Einzelne Limonadenhersteller haben bereits ihre Produktion heruntergefahren. Über CO2-Lieferprobleme hatten zuvor auch Schlachthofbetreiber berichtet, die mit dem Industriegas Schweine und Geflügel betäuben.

Ein Großteil des CO2 auf dem Markt entsteht wie das ebenfalls knapper werdende Abgasreinigungsmittel AdBlue (taz vom 6. 9. 22) als Nebenprodukt der Kunstdüngerherstellung aus Erdgas. Doch über 70 Prozent der europäischen Kunstdüngerproduktion steht dem Branchenverband Fertilizers Europe zufolge seit August still. Denn Erdgas habe in der EU vor wenigen Wochen 15-mal mehr gekostet als vor der aktuellen Krise und 10-mal mehr als etwa in den USA. Die Landwirte kaufen deshalb vermehrt billigere Konkurrenzprodukte, etwa aus Nordafrika, den Golfstaaten oder den Vereinigten Staaten.

Die Getränke-Industrie dagegen kann nicht so leicht die heimische Produktion durch Einfuhren von anderen Kontinenten ersetzen. „An einzelnen Stellen wurde die Produktion schon zurückgefahren“, sagte Tobias Bielenstein, Sprecher der Genossenschaft Deutscher Brunnen, der zentralen Einkaufsgemeinschaft der deutschen Mineralbrunnenbranche. Die Aktienbrauerei Kaufbeuren etwa stellt keine Limonade mehr her. „Weil Limonade sehr viel Kohlensäure braucht und wir nur noch geringe Mengen hatten, ging es nicht anders“, sagt Geschäftsführer Gottfried Csauth.

Kohlensäure wird nicht nur Getränken zugesetzt, sondern wird beispielsweise auch verwendet, damit Bier bei der Abfüllung nicht in Kontakt mit Luft kommt.

Großer Düngerhersteller fährt Anlage wieder an

Der Kohlensäuremangel trifft aber nicht alle gleich: Die Radeberger-Gruppe mit Biermarken wie Jever, Clausthaler oder Schöfferhofer sieht noch keine Probleme: „Da wir vornehmlich Gärungskohlensäure aus unserer eigenen Produktion in unseren Brauereien einsetzen, sehen wir kurzfristig kein Ausfallpotenzial.“

Auch bei den Mineralwasserherstellern müssen sich manche keine Sorgen machen: „Bei der Abfüllung des Gerolsteiner Mineralwassers setzen wir ausschließlich natürliche Quellkohlensäure ein“, sagt Ulrich Rust aus der Geschäftsführung der Gerolsteiner Brunnen. Das Unternehmen sei nicht von Lieferengpässen betroffen.

Brauerlobbyist Eichele befürchtet aber, dass vor allem bei der Herstellung von Erfrischungsgetränken und Wasser durch den zunehmenden Mangel an Kohlensäure die Produktion und Abfüllung immer häufiger unterbrochen werden müsse. Die Bundesregierung müsse dringend Maßnahmen ergreifen, damit die kritische Infrastruktur der Ernährungsindustrie mit bezahlbarem Kohlendioxid sichergestellt werden. „Und wir brauchen wirksame Schritte, um die eigentliche Ursache des CO2-Engpasses zu beseitigen – die explodierenden Energiepreise.“

Einer der größten deutschen Düngemittelhersteller, die SKW Stickstoffwerke Piesteritz in Lutherstadt Wittenberg, ist zuversichtlich, dass die Bundesregierung bald hilft. Deshalb fahre das Unternehmen gerade eine seiner zwei Ammoniakanlagen wieder an, sagte Firmensprecher Christopher Profitlich am Sonntag der taz. Dieser Prozess dauere 10 Tage. (mit dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.