Linke Proteste gegen die Gasumlage: Eine explosive Mischung

Vor der Grünen-Parteizentrale protestiert ein linkes Bündnis gegen unsoziale Krisenpolitik. Auch Ver­schwö­rungs­ideo­lo­g:in­nen folgten dem Aufruf.

Eine Frau mit Anglerhut hält ein Spiegel-Cover mit dem Titel "Die Olivgrünen" hoch, darüber der Titel "Was würde Petra Kelly dazu sagen?"

Foto: Florian Boillot

„Das ist kein Entlastungspaket, das ist eine Kampfansage an die Ärmsten!“ Es sind deutliche Worte, mit denen der Linken-Politiker Ferat Koçak am Montagabend während seines Redebeitrags die Regierungskoalition kritisiert. Die Teil­neh­me­r:in­nen applaudieren lautstark. Sie sind dem Aufruf des neugegründeten linken Bündnisses „Heizung, Brot und Frieden“ gefolgt, vor der Parteizentrale der Grünen unter dem Motto „Protestieren statt frieren“ gegen die unsoziale Krisenpolitik zu demonstrieren.

Der Platz vor dem Neuen Tor im Bezirk Mitte, an dem sich die Parteizentrale befindet, ist gut gefüllt, die Stimmung kämpferisch. Die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen sprechen von mehr als tausend Demonstrierenden, die Polizei zählte 600 – beide Angaben sind deutlich mehr als die 300 Teilnehmer:innen, die zuvor angemeldet waren.

„So werden wir es nicht über den Winter schaffen, ohne dass Menschen hungern und frieren werden“, fürchtet Demonstrantin Louisa Hotzelmann. Die 21-Jährige, die gerade ihr Studium beendet hat und nun arbeitssuchend ist, fordert, dass die Energiepreise gedeckelt und das 9€-Ticket verlängert werden sollten.

In den Redebeiträgen werden immer wieder linke Lösungen für die Energiekrise gefordert. „Sämtliche Energieversorgung sollte in öffentliche Hand“, schlägt Linken-Politiker Uwe Hiksch in seinem Redebeitrag vor, „Und dann sehen wir, wie wir das gerecht verteilen.“

Friedensbewegung stark vertreten

Außergewöhnlich ist weniger die Zahl der Teilnehmer:innen, als das politische Spektrum, das sich an diesem Abend versammelt hat. Schon vor Beginn der Kundgebung schwenken Ak­ti­vis­t:in­nen der kommunistischen Organisationen rote Hammer und Sichel Fahnen. Zahlenmäßig stark vertreten sind auch Mitglieder der Friedensbewegung, die mit anti-militaristischen und Nato-kritischen Bannern deutlich sichtbar sind.

Klar wird an diesem Abend auch – es ist nicht die empörte Mitte, die durch die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise auf die Straße drängt, sondern überwiegend Menschen und Gruppen, die bereits politisch aktiv sind und die den Anspruch haben, den Ton der zu erwartenden Protestwelle anzugeben.

Während die Forderungen des offiziellen Aufrufs sich auf die Abschaffung der Gasumlage und die Vergesellschaftung von Energiekonzernen konzentrieren, wird besonders in den Redebeiträgen der an dem Bündnis beteiligten Naturfreunde und der von Sarah Wagenknecht gegründeten Aufstehen-Bewegung wiederholt das Ende der Sanktionen gegen Russland gefordert.

Eine Meinung, die viele der Teilnehmenden hier teilen. „Frieden kann man nur durch Verhandlung erreichen“ erklärt Sasa Zivkovic. Der 50-Jährige ist noch immer entsetzt, dass die Grünen sich für Waffenexporte einsetzten und fordert ein Ende aller Waffenlieferung.

Schwurbel-Unterwanderung abgewehrt

Der Antimilitarismus geht bei einigen Teilnehmenden so weit, dass sie von den Inhalten der verschwörungsideologischen Mahnwachenbewegung keinen Abstand nehmen. „Lebenslänglich für Habeck – Nordstream 2 öffnen!“ steht auf dem Schild, dass sich ein älteres Paar umgehängt hat. „Das ist eine linke Demo, was soll dieser Quatsch?“ reagiert ein anderer Teilnehmer empört.

Im Vorfeld wurde auch in einschlägigen verschwörungsideologischen Nachrichtenportalen für die Teilnahme am Protest mobilisiert – einem Aufruf, dem nicht Wenige gefolgt zu sein scheinen. Bereits vor Beginn der Kundgebung lieferten sich Antifa-Aktivist:innen mit dem aus dem Querdenken-Umfeld zuzuordnenden Mitgliedern der Partei „die Basis“ und der Gruppe der „Freien Linken“ heftige Wortgefechte.

Im Laufe der Kundgebung gelingt es den Antifa-Aktivist:innen mit Erfolg, die Quer­den­ke­r:in­nen ohne Handgreiflichkeiten von der Demo auszuschließen. Trotzdem kommt es innerhalb der Kundgebung vereinzelt zu Pöbeleien von Quer­den­ke­r:in­nen gegenüber Maskenträger:innen.

„Erfolgreicher Testballon“

Die Red­ne­r:in­nen distanzieren sich dabei immer wieder von der AfD und anderen rechten Gruppen. Am deutlichsten gelingt dies Koçak: „Wir lassen uns unsere sozialen Kämpfe nicht von rechts vereinnahmen, Rassisten und Antisemiten verpisst euch!“, ruft der Abgeordnete, der selbst das Ziel rechter Gewalt wurde, der Menge entgegen, die mit „Siamo Tutti Antifascisti“ Sprechchören antwortet.

Nach nur anderthalb Stunden beenden die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen die Kundgebung. Viele Teil­neh­me­r:in­nen gehen mit gemischten Gefühlen. „Ich finde es problematisch, wenn geopolitische Positionen zum Ukraine-Krieg vertreten werden“, kritisiert Philip, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, die Forderungen nach der Beendigung der Sanktionen. Trotzdem will er bei weiteren Aktionen wieder dabei sein. „Ich bin froh, dass es einen progressiven Protest gibt. Wir dürfen den Rechten nicht das Feld überlassen und müssen nächstes Mal noch mehr Präsenz zeigen.“

Mit-Organisator Michael Prütz bezeichnete die Kundgebung im Gespräch mit der taz als erfolgreichen „Testballon“, mit der man das Potenzial für größere Aktionen ausgelotet habe. Am 3. Oktober soll nun eine weitere Aktion organisiert werden, gefolgt von einer Großdemo Ende November.

Neben einer Aktion vor der FDP-Parteizentrale Ende August die das Bündnis „Wer hat, der gibt“ organisiert hatte, ist die Kundgebung die zweite linke Protestaktion gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung.

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